Die Kunst des Übens
Dies Academicus 2021 der Theologischen Hochschule Chur
Jedes Jahr im Herbstsemester pflegt die Theologische Hochschule Chur als eine der drei Katholisch-Theologischen Fakultäten der Deutschschweiz beim Dies Academicus den Kontakt mit der interessierten Öffentlichkeit. Am Dienstag, den 26. Oktober 2021 waren knapp 100 Gäste der Einladung zum Dies Academicus gefolgt: Vertreter der Bistumsleitung und der Bistumskantone, Gäste aus der Politik und den Partnerinstitutionen der TH Chur sowie Freunde und Förderer der Theologischen Hochschule. Nachdem der Dies Academicus im vergangenen Jahr pandemiebedingt ausfallen musste, war es eine Freude, dass wieder zahlreiche Gäste die TH Chur besuchten.
Zu Beginn stellte Prorektorin Prof. Dr. Eva-Maria Faber einige Überlegungen zu den besonderen Herausforderungen für Theologie und Kirche der Gegenwart an. Den Festvortrag hielt der bekannte Neurologe Prof. Dr. Jürg Kesselring, ehem. Chefarzt der Rehabilitationsklinik Valens bei Bad Ragaz. Sein Vortrag stand unter dem Thema „Die Kunst des Übens – Lektionen aus der Neurologie zu Musik und Lebenspraxis“. Ausgehend von Erich Fromms berühmten Buchtitel „Die Kunst des Liebens“ kreisten Kesselrings Gedanken immer wieder um die Einsicht des Paracelsus, die Liebe sei der höchste Grund jeder Arznei. Das Interesse in der Neuro-Rehabilitation bestehe nicht hauptsächlich darin, Krankheiten zu beschreiben, sondern den Patientinnen und Patienten etwas zu bieten, damit sie trotz ihrer Einschränkungen wieder besser leben können – er verwendete dafür den Begriff «Neuroplastizität». Kesselring griff mehrfach auf Paracelsus zurück, der zum Lernen gesagt hatte: «Wer nichts weiss, liebt nicht; wer nichts tun kann, versteht nichts; wer nichts versteht,
ist nichts wert – aber wer versteht, der liebt, merkt und sieht auch. Wer meint, alle Früchte würden gleichzeitig mit den Erdbeeren reif, der versteht nichts von den Trauben.» Dieses Zitat habe auch Erich Fromm als Motto seiner «Kunst des Liebens» vorangestellt. Es entspreche dem Grundsatz der Rehabilitation, den Patientinnen und Patienten einen neuen Zugang zu ihrer Persönlichkeit zu verschaffen: „Die beste Arznei für den Menschen ist der Mensch“, so Kesselring, der im zweiten Teil seines Vortrags dann den sozialen und therapeutischen Wert der Musik betonte. Seine geistreich und humvorvoll vorgetragenen Gedanken wurden mit lang anhaltendem Applaus belohnt.
Zum Schluss des Dies Academicus wurde der Churer Maturapreis für Religion 2021 an drei junge Erwachsene verliehen. Der mit 500 CHF dotierte 1. Preis ging an Samuel Schulke von Attikon ZH (Kantonsschule im Lee Winterthur) für seine Arbeit „Flucht im Namen Gottes“, der 2. Platz (300 CHF) ging an Lina Caspescha von Schnaus GR (Gymnasium Kloster Disentis) für ihre Arbeit «Vergleich des philosophischen und künstlerischen Menschenbilds in der Renaissance und im Expressionismus» der 3. Preis in Höhe von 200 CHF wurde an Tamina Kabir von Felsberg GR (Bündner Kantonsschule Chur) verliehen. Das Thema ihrer Arbeit lautete: «Die Rohingya – das vergessene Volk».
Im Anschluss an die Preisverleihung richtete der Grosskanzler der TH Chur, Bischof Dr. Joseph M. Bonnemain ein Grusswort an das Kollegium, die Studierenden und die anwesenden Gäste. Er rief alle in Theologie und Kirche Tätigen auf, den Synodalen Prozess im Bistum Chur mitzugestalten, zu dem Papst Franziskus die weltweite Kirche eingeladen hat. Der Abend klang mit einem Apéro riche und guten Gesprächen aus.