«Neue Sprachen für Gott»: Rückblick auf die PI-Jahrestagung am 30.01.2019 in Zürich

60 Seelsorgerinnen und Seelsorger aus allen Deutschschweizer Bistümern waren vergangenen Mittwoch, den 30.01.2019 der Einladung des Pastoralinstituts der Theologischen Hochschule Chur (PI) und des Theologisch-Pastoralen Bildungsinstituts (TBI) ins Centrum 66 nach Zürich gefolgt. Beide Institute boten erstmals eine gemeinsame theologische Impulstagung zum Thema „Religion und Sprache“ an, die auf sehr positive Resonanz stiess. Mit Impulsvorträgen und Workshops wurden verschiedene Handlungsfelder religiöser Sprache beleuchtet und Hinweise für die pastorale Praxis gegeben.

 

Eröffnet wurde die Jahrestagung durch drei Kurzvorträge: Unter dem Motto „Es gibt keine Sprache mehr für diese Dinge“ bot Dr. Christoph Gellner (TBI Zürich) Streifzüge durch die Gegenwartsliteratur an. Er diagnostizierte ein neues Interesse zeitgenössischer Literaten an religiösen Fragen und belegte das durch einige literarische Kostproben.

Die Liturgiewissenschaftlerin Prof. Dr. Birgit Jeggle-Merz (Pastoralinstitut der THC) untersuchte „Aufbrüche“ in der liturgischen Sprache und kam zu dem Ergebnis, dass die binnenkirchliche Sprache auch innerhalb der Kirche nur noch von immer kleineren Zirkeln verstanden wird. Sie lud alle liturgischen Akteure zum hermeneutischen Perspektivenwechsel ein, indem sie für eine stärkere Wahrnehmung der „Sprache der Anderen“ warb. Die Kunst liturgischer Sprache besteht nach Jeggle-Merz darin, die Glaubensbotschaft konsequent für die heutigen Menschen ins Wort zu bringen. Das betreffe vor allem „Zachäusmenschen“ (Tomáš Halík). Es bedürfe immer wieder der Erneuerung und der sprachlichen „Durcharbeitung“ dessen, was in der Liturgie gefeiert werde.

Der Religionspädagoge Prof. Dr. Christian Cebulj (Pastoralinstitut der THC) legte in seinem Vortrag zum Thema „Religion als Suchsprache bei Kindern und Jugendlichen“ eine zeitsensible religionspädagogische Analyse von Religionsunterricht und Katechese vor und kam zu der Einsicht, dass Religion für viele Kinder und Jugendliche zu einer „Fremdsprache“ geworden sei. Dabei beziehe sich der Begriff „Fremdsprache Religion“, der ja unterschwellig einen Verstehens-Verlust beklagt, nicht etwa auf religiöse Expertensprache. Vielmehr sei die alltägliche religiöse Gebrauchssprache zur Fremdsprache geworden, weil der Bezug auf theologische Begriffe und Sprachformen wie eine fremde Sprache neu erlernt werden müsse. Cebulj warb im Anschluss an Hubertus Halbfas für einen Religionsunterricht und eine Katechese als „Sprachunterricht“.

In sieben verschiedenen Workshops wurde am Nachmittag das Tagungsthema vertieft: Jacqueline Keune (Luzern) bot die Textwerkstatt „Die den Himmel auf Erde zieh’n“ an. Christoph Gellner (Zürich) untersuchte Gegenwartspsalmen der modernen Literatur. Bei Andreas Kessler (Bern) konnten sich Interessierte unter dem Titel „6 Minuten Sprachfreiheit“ im Preacher Slam üben. Stephan Sigg (St. Gallen) lud mit „Avocado, WLAN & Co.“ zu spirituellen Sprachexperimenten in die Welt der Jugendlichen ein. Birgit Jeggle-Merz (Chur) unternahm mit dem Workshop „Vom Reich Gottes, von Gnade, Heil und sonstigen Fremdwörtern“ Sprechversuche in liturgischen Texturen. Bei Manfred Belok (Chur) konnte man unter dem Titel „Auf den Punkt gebracht“ eine Kurzpredigt erarbeiten. Christian Cebulj (Chur) beschäftigte sich schliesslich im Workshop „Gott ist der mit den Flügeln“ mit der Frage nach Kindertheologie und Sprache.

Anstelle eines Schlusspodiums „verdichtete“ Prof. Eva-Maria Faber (Chur) in einem Statement ihre Wahrnehmungen entlang des Tagungsthemas und warb mit Bruno Latour dafür, Religion als Beziehungssprache neu zu buchstabieren. Die Tagung endete mit einer öffentlichen Sprachperformance in der nahegelegenen Predigerkirche. Jacqueline Keune und Urs Faes lasen Gebetsgedichte und wurden von Eva-Maria Burkard am Cello begleitet.

Insgesamt machte die spannende Jahrestagung 2019 auf allen Ebenen deutlich, wie wichtig eine wache Aufmerksamkeit für eine adäquate, zeitgenössische und erfahrungsorientierte Sprache in Seelsorge, Liturgie, Religionsunterricht und Katechese, ja in der Theologie insgesamt, ist. Die Teilnehmenden wurden sensibilisiert, Religion weniger als Besitzsprache denn als Suchsprache für das Unaussprechliche im Alltag und in den verschiedenen kirchlichen Praxisfeldern je neu zu buchstabieren. Dabei gelte es beim Formulieren der „neuen Sprachen für Gott“ mutig neue Wege zu gehen.

 

 

 

 

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