Zum Gedenken an Prof. Ernst Spichtig

Am 6. Januar 2025 verstarb in Sachseln der ehemalige Professor für Pastoraltheologie und Honorarprofessor der Theologischen Hochschule Chur und Spiritual des Priesterseminars St. Luzi Ernst Spichtig.

Ernst Spichtig wurde 1934 in Sachseln geboren und studierte in Chur Theologie. Seine Vikarsjahre absolvierte er in Altdorf. Danach qualifizierte er sich in Freiburg und München durch ein Soziologiestudium und ein Lizentiat in Theologie weiter und wirkte dann von 1970 bis 1995 als Professor für Pastoraltheologie. Wie Franz Annen 1995 zur Demission von Ernst Spichtig erinnert, war für dieses Fach einige Aufbauarbeit zu leisten, da es im Fächerkanon zuvor nur geringe Bedeutung hatte und erst durch die Impulse des Konzils und den Einbezug der Humanwissenschaften Aufwertung und Ausweitung erfahren hatte. Ernst Spichtig habe es mit seinem sensiblen Gespür für Lebensvorgänge und seinen guten Kontakten zur Seelsorge verstanden, wissenschaftliches Nachdenken mit praktischem Sinn zu verbinden.

In zahlreichen Engagements (z.B. in der Pastoralplanungskommission und der Theologischen Kommission der SBK, in der Kommission «Kirche im Tourismus», beim Ranftseminar, beim IFOK) setzte sich Ernst Spichtig für die Gestaltung kirchlichen Lebens ein. Dabei war es ihm wichtig zu beachten, dass «jede Zeit ihre eigene Art hat, Fragen zu stellen und Antworten zu formulieren». In einem Beitrag über Aufbruchsbewegungen von 1990 kreist er um notwendige Entwicklungen hin zu einer stärker geschwisterlichen Kirche, nicht ohne jene zu vergessen, die eher als Einzelgänger unterwegs sind. Dass in der Kirche alle einen Platz haben sollen, war ihm ein grosses Anliegen.

Nach seiner Demission 1995 wurde Ernst Spichtig als Seelsorger in der Pfarrei Liebfrauen in Zürich tätig.

Als sich das Priesterseminar St. Luzi in Chur vor 25 Jahren ein neues Konzept gab, ging es auch darum, einen Spiritual für die angehenden Priesteramtskandidaten zu suchen. Fündig wurde das Seminar in Ernst Spichtig, dem emeritierten Pastoraltheologen und damaligen Vikar an der Liebfrauenkirche Zürich. Volle fünf Jahre, von 2001 bis 2005, war Ernst Spichtig den Studierenden ein behutsamer Begleiter auf ihre Berufungsweg, bevor er mit 70 Jahren in Pension ging.

Ernst Spichtig hatte Zeit und schenkte Zeit. Zuerst war er einfach da, lebte zwei Tage pro Woche im Haus und war selbstverständliches Mitglied der Hausgemeinschaft. Er lebte so, dass er gefragt wurde. Es waren die informellen Kontakte, über die er das Vertrauen der Studierenden, der Professorenschaft und der Angestellten gewann. Wer darüber hinaus bei Ernst Spichtig anklopfte und eine geistliche Begleitung suchte, begegnete einem weisen Seelsorger und behutsamen Begleiter und wurde ermutigt, den ihm von Gott zugedachten Weg zu suchen und zu finden. Sein Sinn für Literatur, bildende Kunst und Musik bereicherten seine geistlichen Impulse, Einkehrtage und Predigten. Gerne beendete er ein Gespräch mit einem Witz oder einer feinen Anekdote. Ernst Spichtig war ein humorvoller Spiritual.

Als Spiritual brachte sich Ernst Spichtig nach 2001 auch in das entstehende Pastoralinstitut der TH Chur ein. Seine langjährige Tätigkeit an der TH Chur würdigte die Hochschule damit, dass sie ihn 2002 zum Honorarprofessor ernannte.

Franz Annen formulierte zum Abschied von Ernst Spichtig 1995 die Zuversicht, dass er als «feinfühliger, liebenswürdiger Lehrer mit grosszügiger Weite und lebensnaher Aufgeschlossenheit» in Erinnerung bleiben werde. Als ich am 7. Januar 2025 Ingrid Krucker-Manser, Leiterin des Regensamtes im Bistum St. Gallen, mitteilte, dass Ernst Spichtig verstorben sei, sagte sie spontan: «Er ist so ein feiner Mensch gewesen.»

Für die Theologische Hochschule Chur:
Eva-Maria Faber, Rektorin

Für das Priesterseminar St. Luzi:
Josef Annen, ehemaliger Regens; Daniel Krieg, Regens

 

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