Jahresbericht Studienjahr 2023/2024
Vom Sinn des Kommas
Pascal Mercier lässt in seinem Roman «Das Gewicht der Worte» den Protagonisten über den Sinn des Nachdenkens über Worte und sogar über ein Komma grübeln. «Kann man im Ernst darüber nachdenken, ob man ein Komma oder ein Semikolon setzen soll, wenn andere nicht wissen, wo sie schlafen können, ohne zu erfrieren? Und dann denke ich über das Komma nach.»
Das Komma steht für die Sorgfalt im Umgang mit vorgefundenen und eigenen Texten, mit Aussagen, in denen wir Menschen uns über die Welt, über unser Leben, über uns selbst verständigen. Die Theologie legt die Sprache des Glaubens und des Nachdenkens über Transzendenz dazu. Ja, auch im Nachdenken über Gott, Welt und Mensch, über Wahrheit, Bedeutung und Sinn, über Werte und Ideale gibt und braucht es Reflexionsstandards. Würden wir in diesen Hinsichten nicht über das Komma nachdenken, darüber, wie wir sorgsam im Verstehen sind, dann würde auch hier das Grobe seinen Lauf nehmen, das Grobe, das menschliches Zusammenleben zerstört und die Würde von Menschen verkümmern lässt. Würden wir im Bereich von Religion und Glaube darauf verzichten, ein «Handwerk des Nachdenkens, des Schreibens», wie Mercier es nennt, zu entwickeln, hermeneutische Methoden, historische Einordnungen, Kriterien der Bewertung, dann verkäme Religion zu naiver oder blinder, evtl. sogar gefährlicher Gefühlspraxis.
Die TH Chur leistete auch im vergangenen Studienjahr in Forschung und Lehre ihren Beitrag zu solcher Reflexion. Dabei liegt uns in der wissenschaftlichen Ausbildung gerade auch von Seelsorgerinnen und Seelsorgern am Herzen, dass zur Professionalität seelsorgerlicher Berufe ein gutes intellektuelles Fundament gehört. Davon können Sie sich im vorliegenden Jahresbericht einen Eindruck verschaffen.
Rektorin Eva-Maria Faber