Plädoyer für intellektuelle Bescheidenheit
beim Dies Academicus der TH Chur

Zahlreiche Gäste aus Kirche, Gesellschaft und Politik kamen am Montag, den 30.10.2023 in der Aula der Theologischen Hochschule Chur zum Dies academicus 2023 der Theologischen Hochschule Chur. Zu Beginn begrüsste Rektorin Prof. Dr. Eva-Maria Faber die Anwesenden, besonders Bischof Dr. Joseph Maria Bonnemain, Abt Vigeli Monn vom Kloster Disentis sowie die Generalvikare Luis Varandas von Zürich und Peter Camenzind von Graubünden. Dr. Gion Lechmann, Vorsteher des Amts für Höhere Bildung, kam als Vertreter des Kantons Graubünden. Erfreulicherweise war neben anderen Vertretungen der staatskirchenrechtlichen Körperschaften auch der gesamte Synodalrat der Katholischen Kirche im Kanton Zürich bei der Feier vertreten.

In ihrer Begrüssung benannte Faber die Erschütterung, welche die Schweizer Pilotstudie zur sexualisierten Gewalt auch für eine theologische Ausbildungsstätte bedeutet. Die Institution müsse die getroffenen Massnahmen der Prävention je neu überprüfen, wofür sie vor einigen Jahren die Funktion von Präventionsbeauftragten eingeführt habe. Die theologische Wissenschaft müsse sich aber auch fragen, wie sie sich zwischen Mitwirkung im und kritischem Gegenüber zum kirchlichen System bewege und wie sie zur kritischen Durchleuchtung der Lehrbestände und Machtstrukturen der römisch-katholischen Kirche beitrage.

Die Festansprache zum Thema hielt der Betriebswirt und Managementforscher Prof. Dr. Hans Wüthrich, früher Lehrstuhlinhaber für Internationales Management an der Universität der Bundeswehr in München. Sein Vortrag trug den Titel „Intellektuelle Bescheidenheit – ein Weg aus der toxischen Polarisierung.“ Darin legte er Bausteine der intellektuellen Bescheidenheit vor, die er als Lösungsvorschläge zu der paradoxen Beobachtung verstanden wissen wollte, dass es weltweit trotz mehr Wissen mehr ungelöste Probleme gebe. Gerade auch vor dem Hintergrund sich verhärtender Debatten in der Katholischen Kirche schlug Wüthrich fünf Strategien der Kommunikation vor: 1. Pluralität der Anschauungen billigen statt Deutungshoheit verteidigen, 2. Gemeinsam klüger werden statt die Welt erklären, 3. Nichtwissen aushalten statt mittels Kompetenz blenden, 4. Sich emporirren statt alles im Voraus wissen wollen, 5. Barrierefrei denken statt Best Practices nachahmen. Im Blick auf die Römische Weltsynode und den Synodalen Prozess in der Katholischen Kirche empfahl Wüthrich mehr intellektuelle Bescheidenheit, die bedeuten würde, im Dialog gemeinsam klüger zu werden.

Im Anschluss an die Festrede nahm Prof. Dr. Christian Cebulj die Preisverleihung des Churer Maturapreises für Religion und Ethik 2023 vor. Amélie Haller, früher Schülerin der Kantonsschule Wil SG, erhielt den ersten Preis für ihre in englischer Sprache verfasste Maturaarbeit zum Thema „Heart-adjusted Ethics: A Solution to Emotional Deficits of Modern Ethical Theories“. Aus Gründen der Qualitätssicherung wurde in diesem Jahr nur einer von drei Maturapreisen verliehen. Sponsor war die Kath. Kirchgemeinde Maria Krönung Zürich-Witikon.

Am Ende der Feier stand das Grusswort von Bischof Dr. Joseph Maria Bonnemain. Darin strich er die Bedeutung der Synodalität für die Zukunft von Theologie und Kirche heraus und zitierte aus dem „Brief an das Volk Gottes“ zum Abschluss der Synode. Verbunden mit einer gesunden Portion intellektueller Bescheidenheit sei das Hinhören auf die Vielstimmigkeit in der Kirche und die Unterscheidung der Geister der Wegweiser für eine zukunftsfähige synodale Kirche auch in der Schweiz. Die akademische Feier wurde musikalisch gestaltet von den beiden Doktoranden Eric Petrini und Fabio Theus, anschliessend wurden die Themen des Abends in geselliger Runde beim Apéro riche weiter diskutiert.

Vgl. auch den Bericht im Medienspiegel auf kath.ch: https://www.kath.ch/medienspiegel/plaedoyer-fuer-intellektuelle-bescheidenheit-beim-dies-academicus-der-th-chur/?pw=V9GykUZibtJT&utm_source=newsletter&utm_medium=e-mail&utm_campaign=2023-11-02