Plädoyer für Rechtsstaatlichkeit beim Dies Academicus der TH Chur

Zahlreiche Gäste aus Kirche, Gesellschaft und Politik kamen am Montag, den 21.10.2024 in der Aula der Theologischen Hochschule Chur zum Dies academicus 2024 der Theologischen Hochschule Chur. Zu Beginn begrüsste Rektorin Prof. Dr. Eva-Maria Faber die Anwesenden, besonders Bischof Dr. Joseph Maria Bonnemain und Peter Camenzind, den Generalvikar von Graubünden als Vertreter der Bistumsleitung. Aus der Politik nahmen Ständerat Stefan Engler und Dr. Gion Lechmann, Vorsteher des Amts für Höhere Bildung im Kantons Graubünden, an der akademischen Feier teil. Erfreulicherweise waren mehrere Vertretungen der staatskirchenrechtlichen Körperschaften, u.a. Mitglieder des Synodalrats der Katholischen Kirche im Kanton Zürich bei der Feier vertreten.

In ihrer Begrüssung rief Faber die Publikation „Die beste aller Welten“ des Soziologen Gerhard Schulze in Erinnerung. Schulze entwarf darin das Bild einer Gesellschaft, die nicht mehr vom Prinzip der permanenten Steigerung dominiert wird, sondern in das Lebensgefühl der Ankunft mündet. Zwanzig Jahre danach sei es bestürzend, wie rasch angesichts von multiplen politischen und ökologischen Krisen der Absturz aus einem zufriedenen Sicherheitsgefühl in radikale Verunsicherung geschehen sei. Gerade deswegen sei allerdings die Diagnose Schulzes relevant, dass neben dem „Naturkönnen“ das „Kulturkönnen“ zu pflegen sei. Es brauche Orte, die Ressourcen für Resilienz in Krisenzeiten bieten und an denen Menschen die Motivation schöpfen, sich auch dann für den Erhalt der Umwelt, für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen, wenn es aussichtslos scheint, im Grossen etwas zu verändern. Eine entsprechende Verantwortung sei auch durch Orte der Ausbildung wahrzunehmen.

Die Festansprache zum Dies Academicus hielt Prof. Dr. Astrid Epiney, Professorin für Völkerrecht, Europarecht und schweizerisches öffentliches Recht an der Universität Fribourg, deren Rektorin sie 2015–2024 war. Unter dem Titel „Rechtsstaatlichkeit in Europa und in der Schweiz: rechtlich verbindlicher Grundsatz oder politische Leitlinie?“ plädierte Epiney für den Schutz rechtsstaatlicher Prinzipien gegen verschiedene aktuelle Gefährdungen. Bei der Grundidee des Rechtsstaats gehe es um den Schutz vor staatlicher Willkür über eine umfassende Bindung der Staatsgewalt an das Recht sowie die ‚absolute‘ Geltung bestimmter Mindestgarantien und die Beachtung geordneter Verfahren. Damit würde, so Epiney, letztlich politische Macht eingebunden und die elementaren Grundrechte der Einzelnen geschützt. Epiney verstand ihre Überlegungen auch als Beitrag zur Versachlichung mancher Diskussion um staatliche Entscheid, die je nach Tagesaktualität immer auch von Emotionen geprägt sind. Über allen Kontroversen betonte sie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit als ‚Leitplanke‘ für politische Diskussionen und wünschte sich, dass alle öffentlichen Institutionen künftig noch stärker Sorge um die Errungenschaften des modernen demokratischen Rechtsstaats tragen sollten.

Im Anschluss an die Festrede nahm Prof. Dr. Christian Cebulj die Preisverleihung des Churer Maturapreises für Religion 2024 vor. Lea Schumacher, frühere Schülerin der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon, erhielt den ersten Preis für ihre Maturaarbeit zum Thema  „Freikirchen und Sekten“. Der zweite Preis ging an Anna Isler, die am Literargymnasium Rämibühl Zürich eine Arbeit über die spanischsprachige Mission im Kanton Zürich verfasst hatte. Mit dem dritten Preis wurde Lara Poltéra ausgezeichnet, die ihre Maturaarbeit an der Kantonsschule Am Burggraben St. Gallen eingereicht hatte. Die Arbeit trug den Titel „Jesus und die Frauen. Wie Jesus mit den Frauen umging und welche Auswirkungen das auf Frauen im Urchristentum hatte“. Die Maturapreise waren mit 500 Fr., 300 Fr. und 200 Fr. dotiert, Sponsorin war in diesem Jahr die Kath. Kirchgemeinde St. Anton Zürich-Hottingen.

Am Ende der Feier stand das Grusswort von Bischof Dr. Joseph Maria Bonnemain, dem Grosskanzler der TH Chur, der den Wert rechtstaatlicher Prinzipien auch nochmals unterstrich. Die Feier wurde musikalisch umrahmt vom Gesangstrio Clara Maria, Anna Catrina und Eva Luisa Scherrer, die von ihrem Vater Clau Scherrer am Piano begleitet wurden und für ihren wunderbaren Gesang den verdienten Applaus des Publikums erhielten. Im Anschluss an die akademische Feier wurden die Themen des Abends in geselliger Runde beim Apéro riche weiter diskutiert.

Vgl. den Medienbericht auf kath.ch: https://www.kath.ch/newsd/dies-academicus-in-chur-plaedoyers-fuer-die-rechtsstaatlichkeit/