1 Philosophie

Philosophie und Philosophiegeschichte

Dozierende

Prof. Dr. Martina Roesner

1.1. Einführung in die Philosophie

Herbstsemester 2025
Montag, 10.25-12.05 Uhr

Pflichtvorlesung BA 1 – Mündliche Prüfung – 3 ECTS

Die Frage nach Wesen und Aufgabe der Philosophie stellt sich nicht nur, wie bei anderen Wissenschaften, zu Beginn des Studiums dieser Disziplin, sondern gehört zu den zentralen Grundfragen des philosophischen Denkens selbst. In dieser Einführungsvorlesung soll es darum gehen, die Eigenständigkeit der Philosophie gegenüber der Offenbarungstheologie und den anderen Einzelwissenschaften, aber auch gegenüber Religionen, Ideologien und Weltanschauungen aufzuzeigen und den Ursprung des philosophischen Fragens sowie die Eigentümlichkeit der philosophierenden Grundhaltung in existenzieller, historischer und systematischer Perspektive zu beleuchten. Dabei soll deutlich werden, dass das Philosophieren nicht primär auf Antworten und Ergebnisse abzielt, sondern einen wesentlich performativen Aspekt besitzt, der denjenigen, der Philosophie treibt, in dauerhafter Weise zum Selbstdenken und zur kritischen Reflexion befähigen soll.

Dozentin: Prof. Dr. Martina Roesner

1.2. Geschichte der mittelalterlichen Philosophie

Herbstsemester 2025
Mittwoch, 08.25-10.05 Uhr

Pflichtvorlesung BA 1-3 – Mündliche Prüfung – 3 ECTS

Das philosophische Denken des Mittelalters, dessen Entwicklung ca. 500 n. Chr. beginnt und um das Jahr 1500 endet, gehört zu den wohl spannungsreichsten und interessantesten Epochen der Philosophiegeschichte. Diese Zeit ist von einer intensiven Auseinandersetzung des Christentums mit den unterschiedlichen Schulrichtungen und Strömungen der antiken, griechisch-römischen Philosophie gekennzeichnet, die den christlichen Glauben und die christliche Philosophie dazu nötigt, die eigenen Wahrheitsansprüche kritisch zu reflektieren und vernünftig zu begründen. Insbesondere soll dabei der tiefgreifende Umbruch thematisiert werden, der durch die um 1200 einsetzende Rezeption des gesamten Aristotelischen Textkorpus herbeigeführt wird und die Frage nach dem wissenschaftlichen Charakter der christlichen Offenbarungstheologie auf einen ganz neuen Boden stellt. Zugleich soll der im sogenannten «radikalen Aristotelismus» bzw. «Averroismus» erhobene Anspruch einer völligen Autonomie des philosophischen Denkens als eigenständiger Lebensform thematisiert werden, die eine Konkurrenz zum Heils- und Erlösungsmonopol des christlichen Glaubens darstellt. Daneben sollen die sich im 13. und 14. Jahrhundert entwickelnden Ansätzen einer spekulativen Mystik diskutiert werden, die unter Rückgriff auf das spätantike, neuplatonische Denken das Ziel des Menschen in der Vergöttlichung sehen. Schliesslich will die Vorlesung aufzeigen, dass bestimmte Grundzüge des neuzeitlichen Denkens, wie die Hochschätzung des Individuums, die Tendenz zu einer nominalistischen Vernunft- und Sprachauffassung sowie der Gedanke der Unendlichkeit der Welt und der geschichtlich-kulturellen Entwicklung des Menschen bereits in der Philosophie des Spätmittelalters sowie bei Cusanus grundgelegt sind.

Dozentin: Prof. Dr. Martina Roesner

1.3. Philosophische Gotteslehre

Frühjahrssemester 2026
Donnerstag, 08.25-10.05 Uhr

Pflichtvorlesung BA 1-3 – Mündliche Prüfung – 3 ECTS

Die Frage nach Gott im Sinne des obersten und ersten Prinzips der Wirklichkeit bzw. im Sinne des Absoluten hat das philosophische Denken von seinen Anfängen an begleitet. Die Vorlesung will zunächst die zentralen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen philosophischer Theologie und Offenbarungstheologie herausarbeiten und die philosophische Gotteslehre von der Religionsphilosophie abgrenzen. Anschliessend sollen die verschiedenen patristischen, mittelalterlichen und neuzeitlichen Modelle von apriorischen und aposteriorischen «Gottesbeweisen» konstruktiv-kritisch analysiert werden. Des weiteren soll auf die seit der Aufklärung immer weiter verbreitete Kritik an den traditionellen Gottesbildern und der Religion als solcher eingegangen werden, ebenso wie auf die klassische Theodizeeproblematik und die Frage nach der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer direkten, erlebnishaften Erfahrung der Wirklichkeit Gottes. Zum Abschluss soll Heideggers Kritik an der «onto-theologischen» Gottesrede der traditionellen Metaphysik und seine Propagierung eines «göttlichen Gottes» erörtert werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwieweit die heutige Offenbarungstheologie wirklich zur Gänze auf den klassisch-metaphysischen Gottesbegriff verzichten kann oder nach wie vor auf ihn angewiesen ist, um die Gottesfrage mit nicht religiös sozialisierten Menschen erörtern zu können.

Dozentin: Prof. Dr. Martina Roesner

1.4. Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie

Frühjahrssemester 2026
Montag, 08.25-10.05 Uhr

Pflichtvorlesung BA 1-3 – Mündliche Prüfung – 3 ECTS

Das alltägliche menschliche Bewusstsein, aber auch die einzelnen Wissenschaften gehen wie selbstverständlich davon aus, dass man die Wirklichkeit tatsächlich erkennen kann, ohne sich die Frage zu stellen, wie und unter welchen Bedingungen dies möglich ist. Die philosophische Erkenntnistheorie problematisiert diese vermeintliche Selbstverständlichkeit, indem sie die unterschiedlichen Erkenntnisquellen des Menschen (sinnliche Erfahrung/Anschauung und Denken/Vernunft) sowohl einzeln als auch in ihrem Zusammenspiel analysiert und auf ihre jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen hin befragt. Entscheidend ist dabei die Einsicht, dass sich schon die Sinneserfahrung nicht durch eine blosse Kausaleinwirkung optischer oder akustischer Reize auf die Sinnesorgane erklären lässt, sondern ein Moment der aktiven Erfassung des Wahrgenommenen durch das erkennende Subjekt voraussetzt.

Nach dieser Klärung erkenntnistheoretischer Grundprobleme sollen einem zweiten Schritt zentrale Fragen der Wissenschaftstheorie erörtert werden, die den Begriff der Wissenschaft als solchen, die verschiedenen Klassifikationsschemata der Wissenschaften und ihre jeweiligen Methodologien betreffen. Ausserdem sollen die verschiedenen Modelle zur Erklärung des wissenschaftlichen Fortschritts (Verifikationismus, Falsifikationismus, Paradigmenwechsel, Methodenanarchismus usw.) anhand konkreter Beispiele aus der Wissenschaftsgeschichte erläutert werden. Abschliessend soll auf das Verhältnis zwischen den institutionalisierten Wissenschaften und der sogenannten «Lebenswelt» eingegangen werden, um die vorwissenschaftliche Welterfahrung in ihrer ursprünglichen phänomenalen Legitimität zu rehabilitieren und die Gleichsetzung der wissenschaftlich rekonstruierten Wirklichkeit mit «der» Wirklichkeit schlechthin kritisch zu hinterfragen.

Dozentin: Prof. Dr. Martina Roesner

1.5. Lektürekurs: Leibniz, Monadologie / Prinzipien der Natur und der Gnade

Herbstsemester 2025
Donnerstag, 13.50-15.30 Uhr

Freies Angebot BA 1-3 / MA 1-2 – keine Prüfung – 2 ECTS

In diesen beiden kurzen Traktaten fasst Leibniz in prägnanter Weise die Prinzipien seiner Metaphysik zusammen, die für sein ganzes Denken massgeblich sind. Seine Philosophie zeichnet sich einerseits durch eine ausgesprochene Hochschätzung des Individuums aus, das als «Monade» in seiner irreduziblen Einzigartigkeit begriffen wird; andererseits ist sie bestrebt, das in der Philosophie des 17. Jahrhunderts so drängende Problem des cartesianischen Leib-Seele-Dualismus zu lösen. Darüber hinaus stellt sich Leibniz die Aufgabe, mit Blick auf das Verhältnis Gottes zur geschaffenen Wirklichkeit sowohl Descartes’ Auffassung der grenzenlosen Willkürfreiheit Gottes als auch Spinozas These des Zusammenfalls von göttlicher Freiheit und absoluter Naturnotwendigkeit zu vermeiden. Stattdessen entwickelt Leibniz einen dritten Weg, der zwar mit Blick auf die Körperwelt der neuzeitlichen Naturwissenschaft und ihrem Kausalitätsbegriff Rechnung trägt, mit Blick auf das Verhältnis Gottes zum Menschen jedoch die Vorstellung einer vernünftigen Freiheit und teleologischen Sinnhaftigkeit der Wirklichkeit aufrechterhält. Die beiden Reiche der «Natur» und der «Gnade» schliessen sich demnach nicht aus, sondern sind nach dem Prinzip einer universalen Harmonie aufeinander hingeordnet. Daraus wird ersichtlich, dass Leibniz sich nicht damit begnügt, die Gottesfrage von einem rein innerphilosophischen Standpunkt aus zu erörtern, sondern auch bestrebt ist, den Gott der Philosophen und den Gott der biblischen Offenbarung miteinander in Einklang zu bringen.

Textausgabe:

Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie und andere metaphysische Schriften, hg. von Ulrich J. Schneider, Hamburg, Meiner, 2014.

Dozentin: Prof. Dr. Martina Roesner

1.6. Lektürekurs: Heidegger, Nietzsches Wort «Gott ist tot»

Frühjahrssemester 2026
Mittwoch, 14.45-16.35Uhr

Freies Angebot BA 1-3 / MA 1-2 – keine Prüfung – 2 ECTS

Gemeinhin wird der Nihilismus als Synonym völliger existenzieller Sinnlosigkeit gedeutet und in einen radikalen Gegensatz zu den «Sinnstiftungen» gebracht, die aus einer metaphysisch-religiösen Weltsicht erwachsen. In einem Vortrag aus dem Jahr 1943 widmet sich Heidegger der berühmten «Fabel vom tollen Menschen» aus Nietzsches Die fröhliche Wissenschaft und stellt dabei die provokante These auf, dass die Wurzel des Nihilismus in der abendländischen Metaphysik selbst sowie im Christentum und seinem Gottesbild liegt. Gerade das Sich-Berufen auf eine «übersinnliche Wirklichkeit» und auf «Werte» ist in Heideggers Augen bereits ein Ausdruck der Tatsache, dass das Göttliche entmachtet und in einen Sonderbereich der Wirklichkeit abgeschoben wurde, aus dem der Mensch es dann in letzter Konsequenz vertreiben und auf diese Weise «töten» kann. Anstatt den bestehenden Nihilismus durch philosophische oder religiöse Sinnkonstrukte zu verschleiern, plädiert Heidegger dafür, die Situation, die sich nach dem «Tod Gottes» ergeben hat, ernst zu nehmen und auszuhalten im Wissen darum, dass die Suche nach dem «getöteten Gott» das genaue Gegenteil zu einem dogmatischen Atheismus darstellt.

Textausgabe:

Martin Heidegger, Nietzsches Wort «Gott ist tot», in: ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Klostermann, 7, Auflage 1994, 208-267 (der Text wird auf der Lernplattform in elektronischer Form bereitgestellt).

Dozentin: Prof. Dr. Martina Roesner