Jahresbericht Studienjahr 2023/2024 – Ereignissplitter

Das Studienjahr 2023/2024 war reich an Highlights:

Antrittsvorlesung Markus Lau - eine Würdigung der Rektorin Eva-Maria Faber

Das 2. Vatikanische Konzil spricht in zwei unterschiedlichen Formulierungen von der Bibel als «Seele der Theologie». Die eine Aussage bezieht sich auf das Studium der Heiligen Schriften (DV 24), die andere Stelle auf die Heilige Schrift selbst (OT 16).

Kommentare der Konzilstexte gewichten meist jene Aussage höher, welche die Seele der Theologie mit der Schrift selbst identifiziert. Ich persönlich bevorzuge die Lesart, die das Studium der Schriften die Seele der Theologie nennt. Die Bibel ist nicht ohne Studium zu haben, nicht ohne Arbeit, nicht ohne sich daran abzuarbeiten. Seele der Theologie ist die Bibel im Ereignis, wenn Menschen sich über sie beugen und sie gründlich studieren.

Natürlich handelt es sich ohnehin nur um ein Bild – aber … – der Titel der Antrittsvorlesung von Markus Lau macht wachsam: Bilder üben Macht aus, prägen Vorstellungen. Die Schrift selbst als Seele, das könnte allzu harmlos missverstanden werden. Die Schrift, ein Singular, wäre dann ein eindeutiger und klarer Ausgangspunkt, auf den die Theologie nur zurückkommen muss, um ihre Richtung zu behalten. Interessanterweise verwendet das 2. Vatikanische Konzil jedoch dort, wo es das Bibelstudium als Seele der Theologie empfiehlt, den Plural «Heilige Schriften». Die hebräischen und griechischen Schriften präsentieren eine Vielzahl von Theologien, die von unterschiedlichen Kontexten geprägt sind, auf unterschied­liche Situationen eingehen und unterschiedliche Wirkungsgeschichten haben. All das will entdeckt, erforscht, bedacht sein, damit die Theologie und darüber hinaus auch christliches und kirchliches Leben beseelt sind.

Mit der Antrittsvorlesung von Markus Lau lässt sich ein Eindruck von dieser Arbeit erhalten. Sie lässt sich mit dem Aufrauen einer glatten Oberfläche vergleichen. Gerade bei biblischen Texten, die allzu oft gehört und gelesen sind, braucht es ein solches Aufrauen und Schleifen, damit auf einmal wieder Neues und Lebendiges die Aufmerksamkeit wecken kann. Und dafür ist Markus Lau überaus begabt. Er treibt solche Exegese akribisch und kenntnisreich, mit Leidenschaft und Lust.

Die scheinbare Leichtigkeit, mit der das geschieht, musste er sich erarbeiten. Nach dem Theologiestudium an der Universität in Münster zog es Markus Lau in die Schweiz. Er promovierte an der Universität Freiburg mit der Arbeit: «Der gekreuzigte Triumphator. Eine motivkritische Studie zum Markusevangelium». Sein Habilitationsstudium absolvierte er in Mainz und legte dort unter dem Titel «Sündenvergebung» seine «Studien zu einem matthäischen Programm» vor. Im Rahmen von Lehraufträgen, Lehrstuhlvertretungen, seiner Tätigkeit als Gastprofessor im Theologischen Studienjahr Jerusalem und Stellen im akademischen Mittelbau erwarb er sich sowohl Lehrerfahrung als auch Erfahrung in der akademischen Selbstverwaltung, und mit viel Energie bringt er diese Erfahrungen an der TH Chur ein, in den Lehrveranstaltungen ebenso wie in das Studiendekanat, das er dankenswerterweise schon gleich zu Beginn übernommen hat.

Mehrere Engagements von Markus Lau, z.B. in der Bistumsregion Deutschfreiburg und beim Schweizerischen Katholischen Bibelwerk, zeugen von seiner Kunstfertigkeit, exegetische Wissenschaft bibelpastoral, lebensnah und als Inspiration für heutige kirchliche Praxis einzubringen. Eben dies geschah bei seiner Antrittsvorlesung «Die Macht der Bilder – oder: Eine Metapher kommt selten allein. Exegetische Beobachtungen zu gruppenbezogenen Metaphernnetzen in neutestamentlichen Texten».

Antrittsvorlesung Martina Roesner - eine Würdigung der Rektorin Eva-Maria Faber

Als der Dominikaner Melchior Cano sich im 16. Jahrhundert vergewisserte, welche Erkenntnisbewegung der Glaube nimmt und auf welchen Grundlagen die Theologie arbeitet, identifizierte er die Vernunft und die Philosophie als «fremde Orte» (loci alieni). Damit benannte er die Weise, wie die Theologie über Jahrhunderte bereits gearbeitet hatte: Im theologischen Nachdenken wurden Begriffe, Denkfiguren, Axiome und Methoden der Philosophie berücksichtigt und für den eigenen, theologischen Denkweg zunutze gemacht. Darum spielt im Studium der katholischen Theologie bis heute die Philosophie eine bedeutende Rolle.

Zwar gibt sich die Theologische Prinzipienlehre Rechenschaft darüber, dass die philosophisch gewonnenen Erkenntnisse nicht «eigene», auf dem Boden des Glaubens gewonnene Erkenntnisse sind – deswegen «fremder Ort», und natürlich gab es auch kritische Stimmen, die eben dadurch eine «Überfremdung» des Glaubens fürchteten. Doch im Ganzen wollte die Theologie auf den Ertrag der philosophischen Reflexion nicht verzichten.

Mehr noch, trotz der Einordnung als «fremder Ort» und ohne den Eigenstand der Philosophie anzutasten, entdeckte man in ihr Verwandtschaften hinsichtlich der Absicht, über das Ganze nachdenken zu wollen, ebenso wie hinsichtlich von Denkhaltungen. Auf diese Verwandtschaft machte der Titel der Antrittsvorlesung von Martina Roesner aufmerksam, wenn sie von der Frömmigkeit des Denkens spricht («Von der Frömmigkeit des Denkens. Die Stellung der Philosophie zwischen Wissenschaft und Lebensform»).

Damit kommt ein Anliegen in den Blick, das das philosophische Denken und Forschen von Martina Roesner kennzeichnet.

Sie ist sowohl im theologischen und auch kirchlichen Raum beheimatet, und zugleich «echte» Philosophin. Sie studierte zuerst Philosophie an der Pontificia Università Gregoriana in Rom bis zum Lizentiat, einem kirchlichen Abschluss vor dem Doktorat. Das Doktoratsstudium begann sie zwar ebenfalls in Rom, setzte es aber unter anderem in Paris an der Sorbonne fort und legt dort eine Dissertation zu Martin Heidegger vor. Es folgten diverse Forschungstätigkeiten an verschiedenen Institutionen, vor allem im Bereich der Forschung zu Edmund Husserl.

Seit etwas mehr als 10 Jahren forscht Martina Roesner sodann über Meister Eckhart und habilitierte sich im Fach Philosophie an der Universität Oldenburg mit einer Studie, die eine Brücke zwischen Edmund Husserl und Meister Eckhart schlägt. Gleichzeitig erwarb sie nach dem Theologiestudium in Wien den Mastertitel in Theologie. Zuletzt war sie an der Universität Wien Leiterin eines Forschungsprojektes zum Thema «Der Lebensbegriff bei Meister Eckhart und Husserl».

Martina Roesner weist somit eine beeindruckende Forschungstätigkeit vor, für die sie mit verschiedenen Auszeichnungen und Stipendien geehrte wurde. Ihre Schwerpunkte liegen in der Geschichte der mittelalterlichen und neuzeitlichen Philosophie. Sie ist, wie schon deutlich wurde, eine geschätzte Kennerin der Philosophie Meister Eckharts. Aufgrund ihrer langjährigen Forschungstätigkeit an den Archives Husserl ist sie auch in der neueren Philosophie eine ausgewiesene Fachfrau. Sie spricht neben ihrer Muttersprache Deutsch fliessend Englisch, Französisch und Italienisch.

Die TH Chur ist erfreut, dass Martina Roesner den Ruf der Theologischen Hochschule Chur auf den Lehrstuhl für Philosophie und Philosophiegeschichte angenommen hat, und dankt ihr für das bereits geleistete Engagement in Lehre und Forschung, vor allem im Bereich des Forschungsdekanats.

Interdisziplinäre Studienwoche 2024

An der Theologischen Hochschule und am Priesterseminar St. Luzi in Chur fand vom 22. bis 26. April 2024 eine sogenannte «interdisziplinäre Studienwoche» statt. Thema war die geplante Erneuerung der liturgischen Räume des Oratoriums, der Seminarkirche St. Luzi und der (Ring-)Krypta. Das Projekt sieht ein aktiver Miteinbezug der Studierenden vor.

Warum dieses Thema im Rahmen einer Studienwoche?

Es zeichnet die Theologische Hochschule Chur zusammen mit dem Priesterseminar St. Luzi in besonderer Weise aus, dass hier studieren, Gottesdienst feiern, gemeinsames Essen und Leben zusammenkommen. Deshalb gehören auch die liturgischen Räume – konkret die Seminarkirche St. Luzi, die (Ring-)Krypta und das Oratorium – zum Kern des Hochschul- und Seminarlebens. Die Zeit hat ihre Spuren in diesen liturgischen Räumen hinterlassen. Der eine Raum mehr als der andere bedarf der Renovierung und auch der Neugestaltung, u.a. um den liturgischen Erfordernissen und den liturgischen Ausbildungsbedürfnissen besser entsprechen zu können. Die Studienwoche hat sich zum Ziel gesetzt, die liturgischen Räume genauer in den Blick zu nehmen und zu analysieren, ob und wo eine Renovierung, eine Erneuerung und ggf. eine Neugestaltung erforderlich ist. Die Studienwoche steht damit am Beginn eines längeren Projekts, in das in nächsten Schritten der Bischof sowie das ganze Bistum einbezogen werden müssen. Als Experten nahmen an der Studienwoche der renommierte Schweizer Kirchenarchitekt Gion Signorell aus Domat/Ems und der ausgewiesene Kirchenbaukenner P. Peter Spichtig vom Liturgischen Institut der Deutschschweiz in Fribourg teil.

Wie sieht der theologische Kontext aus?

Schon in frühester Zeit begannen die Christinnen und Christen die Räume zu gestalten, in denen sie sich zum Gottesdienst versammelten. Im Laufe der Geschichte der Kirche haben sich dabei verschiedene Raumgestalten etabliert, die das jeweilige Verständnis von Gottesdienst, von der Relation zwischen Gott und Mensch sowie von dem Zueinander von Welt und Glaube widerspiegeln. Die konkrete Gestaltung der Kirchenräume ist dabei über die Geschichte der Kirche unterschiedlich ausgefallen. Jede Zeit hat auf ihre je eigenen Herausforderungen hin versucht, ihre Kirchenräume zu konzipieren und damit auch der Liturgie einen spezifischen Ausdruck zu verleihen. Daran wird deutlich, dass der Kirchenraum mehr ist als nur eine Hülle für die Feier des Gottesdienstes. Er ist selbst «Liturge», also Mit-Spieler im «heiligen Spiel».

Wie gestaltete sich die Studienwoche thematisch?

Die Studienwoche verfolgte verschiedene (Lern)Ziele. Unter anderem ging es darum, den Studierenden den Zusammenhang vielfältiger Rahmenbedingungen von Liturgie aufzeigen zu können. Dies geschah etwa über hermeneutisch-theoretische Zugänge zur Korrelation von Kirchen- und Liturgieverständnis sowie zum Raumverständnis als Antwort auf mentalitätsgeschichtliche Transformationsprozesse. Im Zentrum stand dabei stets die übergeordnete Frage nach den Anforderungen an liturgische Räume: Wie umgehen mit überkommenen Räumen? Welche Herausforderungen stellen sich künftig an liturgische Räume? Was ist aus liturgietheologischer Perspektive relevant? Thematisch behandelte die Studienwoche damit verschiedene Bereichsaspekte, von Grundlinien nachvatikanischen Liturgieverständnis über kirchenamtliche Vorgaben bis zu Denkmalschutzbestimmungen und architektonische Herausforderungen.

Welche praktischen Programmpunkte gab es?

Die Studienwoche 2024 zeichnete sich durch eine aktive Mitarbeit der Studierenden aus. Um ihr Sinnverständnis für liturgische Räume zu schärfen, wurde eine Exkursion angeboten. Sie führte von Chur nach Churwalden, Lenzerheide und Zorten. Die dort zu findenden Kirchenbauten weisen interessante Eigenheiten und lassen sich durch ihre architektonische Unterschiedlichkeit fruchtbar miteinander vergleichen. Die Exkursion sollte den Studierenden einen Einblick in den Prozess des Raum-Liturgie-Geschehens geben und zur Reflexion des Zu- und Miteinanders von liturgietheologischen und ekklesiologischen Aspekten anregen. Das bei der Exkursion Gelernte und die gewonnenen Eindrücke sollte die Studierenden befähigen, die liturgische Praxis in ihren späteren Gemeinden adäquat mitzugestalten und konstruktiv-kritisch zu begleiten. Gleichzeitig war die Exkursion als Vorbereitung auf die im Rahmen der Studienwoche stattfindenden Gruppenarbeiten gedacht. In Gruppen beschäftigten sich die Studierenden mit den zu erneuernden liturgischen Räumen an der Theologischen Hochschule und am Priesterseminar. Es handelt sich dabei um das Oratorium, die Seminarkirche St. Luzi und die dort integrierte (Ring-)Krypta.

Welche konkreten Ergebnisse lagen nach der Studienwoche vor?

Während eineinhalb Tagen arbeiteten die Studierenden in Gruppen. Sie entwickelten Ideen, Varianten und Konzepte für die genannten drei liturgischen Räume. Diese Arbeit orientierte sich an folgenden Hauptfragen: Wozu dient der liturgische Raum? Welche Gottesdienstformate sollen hier gefeiert werden können? Wie muss ein Raum beschaffen sein, der für eine Vielfalt von Gottesdienstformaten Raum bietet?

Die Ergebnisse ihrer Überlegungen hielten die Gruppen fest, schriftlich, bildhaft und an einem Modell. Am letzten Tag der Studienwoche wurden die Ergebnisse im Plenum präsentiert. Es folgte jeweils eine kurze Diskussion als Gelegenheit für Rückfragen, Kritik und Würdigungen. Dieses zu den liturgischen Räumen Erarbeitete liegt nun vor.

Wie geht es weiter?

In einem nächsten Schritt soll eine Arbeitsgruppe gebildet werden, die sich mit der Umsetzung der Erneuerung der liturgischen Räume befasst. In diese Arbeitsgruppe sollen Hochschul- und Seminarleitung, Studierende und externe Expert:innen Einsitz nehmen. Miteinzubeziehen sind zudem entsprechende Mitarbeitende des bischöflichen Ordinariats und der Churer Diözesanbischof als Grosskanzler der TH Chur. Zunächst wird sich die Arbeitsgruppe im Rahmen der Erneuerung des Ordinariats, der Seminarkirche St. Luzi und der (Ring-)Krypta mit liturgietheologischen, baulichen und finanziellen Fragen beschäftigen müssen. Wann die Erneuerungen zur baulichen Umsetzung gelangen, ist derzeit noch unklar.

Studienreise nach Rom - ein Bericht von Martin Brunner

Studienreise nach Rom vom 13. bis 17. Oktober 2023

Der neue Kirchengeschichtsprofessor David Neuhold, der im Herbst 2023 in die Fussstapfen des emeritierten Professor Michael Durst treten durfte, organisierte gleich nach Beginn seines Amtsantritts eine Studienreise nach Rom. Zusammen mit dem Jesuiten Paul Oberholzer, der in Rom an der Gregoriana als Professor wirkt, und Herrn Gregor Emmenegger, der als Professor für Patrologie und alte Kirchengeschichte in Fribourg sowie auch in Chur tätig ist, sorgte David Neuhold dafür, dass wir Studierende sehr gut aufgehoben waren. Zu einem späteren Zeitpunkt trafen wir noch Prof. Mariano Delgado von der Theologischen Fakultät Fribourg.

Insgesamt 22 Studierende von der Theologischen Hochschule Chur, der Theologischen Fakultäten Fribourg und Luzern trafen sich am Freitag, 13. Oktober 2023 um 14:25 Uhr beim Hauptbahnhof Roma Termini. Da alle doch sehr pünktlich waren, konnten wir unsere Unterkunft an der Via dei Penitenzieri 20, in der Generalkurie der Jesuiten in Rom, beziehen. Direkt im Anschluss stand die erste und auch einzige Besichtigung an diesem Tag auf dem Programm: eine deutsche Führung durch die Scavi di San Pietro. Im Anschluss konnten wir selbstständig durch den Petersdom gehen und eigene Eindrücke sammeln. Bei einem gemütlichen Abendessen genossen wir das Zusammensein in typisch italienischer Atmosphäre.

Ein weiteres Highlight folgte am zweiten Tag, als wir etwas ausserhalb des Stadtzentrums die Katakomben San Pietro e Marcellino mit einer Führung in deutscher Sprache von Herrn Matthias Giger erleben durften. Herr Giger kennt sich nicht nur in Rom sehr gut aus, sondern ist auch geschichtlich bestens versiert. Am Nachmittag besichtigten wir den Palazzo Lateranense. Leider konnte die Lateranbasilika anschliessend nicht mehr besichtigt werden. Am Abend ging es mit einer gemeinsamen Zugfahrt in den berühmten Ort Frascati zu einem gemütlichen einheimischen Abendessen, wobei es einigen Studierenden nicht ganz einleuchtete, dass man für ein Abendessen hinausfahren musste, das man wohl in Rom auch bekommen hätte.

Am dritten Tag, am Sonntag, 15. Oktober 2023, konnten wir einen Gottesdienst in der Kirche San Gregorio VII mitfeiern, an dem auch Pater Paul Oberholzer mitwirkte. Im Anschluss konnte, wer dies wollte, zum Angelus Gebet von Papst Franziskus auf den Petersplatz gehen. Am Nachmittag besichtigten wir unter kundiger Führung von Paul Oberholzer Sant Ignazio, eine Kirche der Jesuiten. Gegen Abend folgte ein weiteres Highlight: Wir durften von der Terrasse der Universität Gregoriana aus, auf die nicht gerade jede:r Zutritt hat, eine unglaubliche Aussicht über Rom geniessen. Dabei wurde uns ein kleiner Apero serviert.

In den zwei darauffolgenden Tagen hatten wir die Gelegenheit, drei Archive zu besichtigen, unter anderem das ARSI (Archivum Romanum Societatis Jesu), das Paul Oberholzer sehr spannend und interessant erklärte. Am Nachmittag ging es auf den Aventin. Es ist der südlichste der sieben Hügel Roms. Dort durften wir im Archiv der Kurie des Predigerordens (Dominikaner) unter Anleitung von fr. Viliam Stefan Dóci O.P, Direktor des historischen Instituts der Dominikaner, Quellen studieren, die er für uns ausgesucht hatte. Da dieser Archivbesuch doch sehr viel Zeit in Anspruch nahm und wir bereits in Verzug waren, kam für mich der folgende Teil zu kurz: die Führung (leider im Eiltempo) durch die Basilika Santa Sabina mit ihrer berühmten Holztüre. Auf dieser Türe ist oben links eine Darstellung «Jesus am Kreuz» zu sehen, und dies ist wohl die älteste Darstellung des gekreuzigten Jesus, denn die Türe stammt aus dem Jahre 432. Für mich war das ein wichtiges Erlebnis, denn ich durfte im Anschluss an die Studienreise eine Seminararbeit über diese Türe schreiben.

Am Dienstag, 17. Oktober 2023 machte sich jede:r wieder individuell auf die Heimreise. Es war eine gelungene Reise, von der ich sehr viel an Wissen mitgenommen habe. Auch das Gemütliche kam nie zu kurz. Das gesellige Zusammensein bei italienischem Flair untermalte die ganze Reise und weckt die Lust auf mehr.

Alumnitreffen der Theologischen Hochschule Chur 2024

Anlässlich des Alumnitreffens 2024 wurde an der TH Chur eine Podiumsdiskussion zum Thema «Synodalität – ein Ausweg aus der Kirchenkrise?» abgehalten. Es folgte ein Abendessen mit musikalischer Umrahmung durch Studierende der Hochschule.
Von Sabine Zgraggen erschien ein Bericht des Anlasses auf zhkath.ch – den wir hier ungekürzt übernehmen.

 

Probleme endlich lösen

Bei einem Ehemaligentreffen der Theologischen Hochschule Chur wurde über «Synodalität – ein Ausweg aus der Kirchenkrise?» debattiert.

Mit Albert Gasser, Kirchenhistoriker, Eva-Maria Faber, Dogmatikerin und Ökumene-Expertin, und dem ehemaligen Generalsekretär der RKZ, Daniel Kosch, sassen in der Aula beim Ehemaligentreffen der Theologischen Hochschule Chur TH Chur kompetente Synoden-Kenner und -kennerinnen am Tisch. Christian Cebulj, Lehrstuhlinhaber für Religionspädagogik, moderierte den Anlass. Ein «Ping-Pong-Dialog» sollte es werden, eben ganz im Sinne von gelebter Synodalität. Die Rechnung ging auf.

Als 2018 das fünfzigjährige Bestehen der TH Chur mit 120 Teilnehmenden gefeiert wurde, kam die Idee zu einem regelmässigen Ehemaligentreffen auf. Ende Mai fand das damals ankündigte erste Alumni-Treffen unter dem Motto: «Synodalität – ein Ausweg aus der Kirchenkrise?» statt. In den Räumen der Hochschule, trafen sich rund dreissig Ehemalige, mindestens die Hälfte davon nahe dem Pensionsalter oder drüber, Männer und Frauen, welche die Kirche vor Ort mit Herzblut und Einsatz geprägt haben – und noch immer prägen.

Albert Gasser liess anfänglich die Zeit des 2. Vatikanums ab 1962 und der nachfolgenden Synode 72 in Chur wortmächtig auferstehen und erinnerte daran, wie die Kirche damals noch «in der Mitte der Gesellschaft lebte». Wenige Jahre danach kam bereits die Katerstimmung. «Dennoch» sagt er rückblickend, «gab es nie so viel diskutierte Kirchlichkeit wie während und nach dem Konzil». Selbst die NZZ begann, nach seinen Angaben erstmals, nicht nur polemisch über die Katholische Kirche zu berichten, sondern sich inhaltlich mit ihr auseinanderzusetzen. So wurde ein positives kirchliches Stimmungsbild einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Daniel Kosch konnte an diese Erzählungen direkt ab 1972 anschliessen. Er sei damals 14 Jahre alt gewesen und in diesem kirchlichen Diskurs sozialisiert worden. Es wäre normal gewesen, über alles zu debattieren, Ausflüge zu machen und den Glauben zu erleben. Ab 1978 sei er dann selbst in St. Luzi im integrierten Seminar gewesen. Frauen wie Männer hätten hier damals gemeinsam studiert, gewohnt und debattiert. Unter Papst Johannes Paul II. lebte der Klerikalismus allerdings neu auf, was sich auch in St. Luzi bemerkbar machte.

Dass Papst Franziskus gleichzeitig die Synodalität als Miteinander des gesamten Volkes Gottes stärkt und den Klerikalismus kritisiert, ist daher kein Zufall. Zur Konkretisierung des synodalen Vorgehens reicht es allerdings nicht, Versammlungen einzuberufen und Stichworte zu notwendigen Reformen zu sammeln und zu bepunkten. «Synodalität kann nicht bedeuten, 300 Personen für zwei Stunden an einen Tisch zu setzen. Synodales Beraten und Entscheiden braucht Zeit, aber auch Regeln und klar definierte Themen», sagt Kosch. Für manche Fragen sorge das duale System für ein geregeltes und in gewissem Sinn synodales Miteinander von pastoral Verantwortlichen und Laien.

Eva-Maria Faber nahm den Faden auf. Zwei grosse Anliegen des Zweiten Vatikanums kämen heute zusammen: Synodalität und Kollegialität und dieser Umbau wecke Hoffnungen. Zugleich erweise sich die Bindung an frühere Festlegungen als problematisch. «Wie verhält sich die Absicht, dass Entscheidungen heute erst nach Zuhören und Unterscheidungsprozessen getroffen werden sollen, zur Bindung an frühere Aussagen, die nicht in dieser Weise synodal getroffen wurden?» so Faber.

Christian Cebulj hakt in Richtung Podium nach, ob jetzt vielleicht nicht der passende «Kairos», die gute Gelegenheit wäre. Gasser reagierte darauf: «Für den Kairos ist man selbst verantwortlich, den kann man ja auch heraufbeschwören!» Ihm ginge es heute fast zu harmoniesüchtig zu und her: «Am Konzil von Trient habe man sich noch geschlagen, es gab Verletzte. Beim 1. Vatikanum habe es lautstarke Disputationen gegeben, auch wegen der fehlenden Mikrofone. «Seit dem 2. Vatikanum fehlt nun aber ein wenig der Sprit.»

Ergänzend dazu stellt Faber fest, dass eine thematische Kirchenzentrierung stattfinde, die auch zu Kirchenmüdigkeit führen würde. Die Menschen hätten doch ganz andere Sorgen rund um Familie und Arbeit.

Bestätigend dazu meinte einer der Zuhörer: «Die Menschen sind nicht nur kirchenmüde, sondern auch sitzungsmüde.» Nach einer guten Stunde, als sich gerade alle warm diskutiert haben, läutete Cebulj die Schluss-Statements ein: Ist die Synodalität nun ein Ausweg aus der Kirchenkrise?

Gasser verweist auf das Wesen der Kirche, das immer schon synodal gewesen sei. Die katholische Kirche stehe anderen christlichen Kirchen gegenüber diesbezüglich gar nicht einmal so schlecht dar, gibt er zu bedenken. Sie sei insgesamt synodaler als ihr Ruf.

Er lenkt auf das aus seiner Sicht eigentliche Thema hinter der Krise. Es handle sich auch um eine Gotteskrise. Es gäbe dazu viel unbeantwortete Sehnsucht dazu in der Gesellschaft, «doch die Art Sprache, die wir verwenden, trifft nicht mehr». Dafür brauche es glaubwürdige Kirchenvertreter.

Faber thematisiert die Glaubwürdigkeitskrise. «Wenn der Vatikan ein Dokument über Menschenrechte herausgibt, während die Menschenrechts-Charta von der Kirche nicht ratifiziert wird, könne sie im Moment einfach nicht glaubwürdig sein», so Faber.

Kosch spricht als Letzter an diesem Podium: Die Gottesfrage würde auch ihn herumtreiben. Sie wäre aber kein Thema, das in synodalen Prozessen direkt angegangen werden könne. Die Aufgabe der Kirche wäre es aktuell viel eher, Räume aufzutun, in denen sich Menschen mit ihrer Sehnsucht, aber auch mit ihren Fragen aufgehoben fühlen. Mit Verweis auf die Wichtigkeit der Gottesfrage die Kirchenfragen zurückzustellen, hält Kosch für problematisch.

Noch gebe es in der Schweiz über 2,5 Millionen Katholikinnen und Katholiken. Wenn wir so weiter machen würden, verlören wir aber jedes Jahr eine Mitgliederzahl in der Höhe der katholischen Wohnbevölkerung eines kleineren Kantons. «Da bleibt dann irgendwann nicht mehr viel übrig», so sein Resümee.

Leider würden die Bischöfe in dieser Richtung zu wenig initiativ, meint Kosch. Eine Kirche, die jährlich eine Milliarde Kirchensteuern und Staatsbeiträge einnimmt, müsste diesbezüglich kompetenter sein und könnte sich besser beraten lassen, zeigt er sich überzeugt.

Lesung: Alfred Bodenheimer liest aus seinem Krimi «Mord in der Strasse des 29. November»

Alfred Bodenheimer ist Professor für Religionsgeschichte und Literatur des Judentums an der Universität Basel. An der Theologischen Hochschule Chur hielt er im Frühjahrssemester 2024 eine Einführungsvorlesung in das Judentum.

Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit verfasst Alfred Bodenheimer auch Kriminalromane. In Kooperation mit der Kantonsbibliothek Graubünden veranstaltete die TH Chur eine Lesung zu Alfred Bodenheimers aktuellstem Krimi: «Mord in der Strasse des 29. November» – ein Buch, das nicht nur ein Krimi ist, sondern auch eine Sicht auf die politische und gesellschaftliche Situation in Israel bietet.

Die Handlung des Buchs spielt während des Lockdowns der Corona-Pandemie. Die Knesset-Abgeordnete Ruchama Wacholder und ihr Ehemann Gil werden beim Spaziergang mit ihrem Hund Itzrubal auf offener Strasse in Israel erschossen. Die Polizeipsychologin Kinny Glass, die eine Freundin des Ehepaares war, wird über ihre Arbeit indirekt in die Ermittlungen eingebunden, entscheidet sich gleichzeitig aber auch, eigenmächtig zu ermitteln.

Im Anschluss an die Lesung moderierte Prof. Dr. Markus Lau eine Fragerunde mit dem Publikum, in der Alfred Bodenheimer einerseits Fragen zu seinem literarischen Schaffen und Werk beantwortet. Anderseits ging es in diesem moderierten Gespräch auch um den Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 und dem Folgekrieg.

Dies Academicus 2023: Intellektuelle Bescheidenheit – ein Weg aus der toxischen Polarisierung

Zahlreiche Gäste aus Kirche, Gesellschaft und Politik kamen am Montag, den 30.10.2023 in der Aula der Theologischen Hochschule Chur zum Dies academicus 2023 der Theologischen Hochschule Chur. Zu Beginn begrüsste Rektorin Prof. Dr. Eva-Maria Faber die Anwesenden, besonders Bischof Dr. Joseph Maria Bonnemain, Abt Vigeli Monn vom Kloster Disentis sowie die Generalvikare Luis Varandas von Zürich und Peter Camenzind von Graubünden. Dr. Gion Lechmann, Vorsteher des Amts für Höhere Bildung, kam als Vertreter des Kantons Graubünden. Erfreulicherweise war neben anderen Vertretungen der staatskirchenrechtlichen Körperschaften auch der gesamte Synodalrat der Katholischen Kirche im Kanton Zürich bei der Feier vertreten.

In ihrer Begrüssung benannte Faber die Erschütterung, welche die Schweizer Pilotstudie zur sexualisierten Gewalt auch für eine theologische Ausbildungsstätte bedeutet. Die Institution müsse die getroffenen Massnahmen der Prävention je neu überprüfen, wofür sie vor einigen Jahren die Funktion von Präventionsbeauftragten eingeführt habe. Die theologische Wissenschaft müsse sich aber auch fragen, wie sie sich zwischen Mitwirkung im und kritischem Gegenüber zum kirchlichen System bewege und wie sie zur kritischen Durchleuchtung der Lehrbestände und Machtstrukturen der römisch-katholischen Kirche beitrage.

Die Festansprache zum Thema hielt der Betriebswirt und Managementforscher Prof. Dr. Hans Wüthrich, früher Lehrstuhlinhaber für Internationales Management an der Universität der Bundeswehr in München. Sein Vortrag trug den Titel „Intellektuelle Bescheidenheit – ein Weg aus der toxischen Polarisierung.“ Darin legte er Bausteine der intellektuellen Bescheidenheit vor, die er als Lösungsvorschläge zu der paradoxen Beobachtung verstanden wissen wollte, dass es weltweit trotz mehr Wissen mehr ungelöste Probleme gebe. Gerade auch vor dem Hintergrund sich verhärtender Debatten in der Katholischen Kirche schlug Wüthrich fünf Strategien der Kommunikation vor: 1. Pluralität der Anschauungen billigen statt Deutungshoheit verteidigen, 2. Gemeinsam klüger werden statt die Welt erklären, 3. Nichtwissen aushalten statt mittels Kompetenz blenden, 4. Sich emporirren statt alles im Voraus wissen wollen, 5. Barrierefrei denken statt Best Practices nachahmen. Im Blick auf die Römische Weltsynode und den Synodalen Prozess in der Katholischen Kirche empfahl Wüthrich mehr intellektuelle Bescheidenheit, die bedeuten würde, im Dialog gemeinsam klüger zu werden.

Im Anschluss an die Festrede nahm Prof. Dr. Christian Cebulj die Preisverleihung des Churer Maturapreises für Religion und Ethik 2023 vor. Amélie Haller, früher Schülerin der Kantonsschule Wil SG, erhielt den ersten Preis für ihre in englischer Sprache verfasste Maturaarbeit zum Thema „Heart-adjusted Ethics: A Solution to Emotional Deficits of Modern Ethical Theories“. Aus Gründen der Qualitätssicherung wurde in diesem Jahr nur einer von drei Maturapreisen verliehen. Sponsor war die Kath. Kirchgemeinde Maria Krönung Zürich-Witikon.

Am Ende der Feier stand das Grusswort von Bischof Dr. Joseph Maria Bonnemain. Darin strich er die Bedeutung der Synodalität für die Zukunft von Theologie und Kirche heraus und zitierte aus dem „Brief an das Volk Gottes“ zum Abschluss der Synode. Verbunden mit einer gesunden Portion intellektueller Bescheidenheit sei das Hinhören auf die Vielstimmigkeit in der Kirche und die Unterscheidung der Geister der Wegweiser für eine zukunftsfähige synodale Kirche auch in der Schweiz. Die akademische Feier wurde musikalisch gestaltet von den beiden Doktoranden Eric Petrini und Fabio Theus, anschliessend wurden die Themen des Abends in geselliger Runde beim Apéro riche weiter diskutiert.

2. Churer Kirchenmusiktag

Zum zweiten Mal fand am 3. November 2024 an der Theologischen Hochschule Chur in Kooperation mit dem Kirchenmusikverband des Bistums Chur ein Kirchenmusiktag statt, zu dem alle Seelsorgenden, alle kirchenmusikalisch Tätigen und weitere Interessierte eingeladen waren. Verschiedene Workshop von „Kreativ Orgel spielen“, über „Singanimation – wie animiere ich die Gemeinde zum Singen“ zu „Meilenstein St. Galler Kantorenbuch“ luden ein zu Weiterbildung, Austausch und Reflexion und boten viele Inspirationen für pastorale Arbeit. Eine Teilnehmerin schrieb im Anschluss an den Kirchenmusiktag: „Es ist eine so lässige Mischung von Andacht, Singen, Zuhören, Lernen, Kulinarik, Informationen, Menschen begegnen. Ich bin erfüllt mit positiven Eindrücken und Momenten.“ Für November 2025 ist die Fortsetzung der Churer Kirchenmusiktage geplant.

Wissenschaftscafé Graubünden: Steckt die Friedensbewegung in der Sackgasse?

Steckt die Friedensbewegung in der Sackgasse?

ein Beitrag von Christian Cebulj (erschienen auf kath.ch)

Leopard-Panzer, Patriot-Raketen, F-16-Kampfjets und Taurus-Marschflugkörper. Das sind militärische Begriffe, die bis vor kurzem nur Spezialisten bekannt waren. Inzwischen sind sie zum Standardvokabular der nicht mehr täglichen, aber immer noch wöchentlichen Nachrichten und öffentlichen Debatten geworden. Ein Kommentar zum ethischen Umgang mit dem Ukraine-Krieg.

Im Alltag haben wir uns notgedrungen an den Ukraine-Krieg gewöhnt und dennoch holen uns regelmässig nicht nur politische, sondern auch ethische Grundsatzfragen zum Ukraine-Krieg ein, die nach Lösungen verlangen

Der inzwischen eineinhalb Jahre andauernde Krieg des russischen Präsidenten gegen die Ukraine hat nicht nur nicht nur die territoriale Integrität einer souveränen Nation verletzt, sondern bildete auch einen Angriff auf die Werteordnung Europas und der Vereinten Nationen.

Längst hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass der Westen viel früher hätte wachsam sein müssen: Bereits seit Jahren und gebündelt in seinem Essay «On the Historical Unity of Russians and Ukrainians” vom 12. Juli 2021 hat der russische Präsident, der sich immer wieder als Hobby-Historiker betätigt, der Ukraine das Existenzrecht abgesprochen und den Anspruch russischer Vorherrschaft deklariert.

Wir erkennen heute im Rückblick, wie fahrlässig es war, die Bedrohung nicht ernster zu nehmen, die aus diesem Anspruch folgert. Angesichts der offensichtlichen russischen Verachtung des Völkerrechts und des ausdrücklichen Ziels von Putin, die Einheit Europas zu schwächen, war es aus heutiger Sicht unverantwortlich, sich energiepolitisch von Russland abhängig zu machen und durch eine anfängliche Appeasement-Politik durch diplomatische Gespräche nach Lösungen zu suchen.

Als christlicher Theologe stelle ich mir die Frage, wie viel meine friedensethischen Überzeugungen der vergangenen Jahre noch wert sind angesichts des russischen Bedrohungsszenarios

Die ethischen Theorien der letzten fast 35 Jahre seit dem Fall des Eisernen Vorhangs waren von der Vorstellung geprägt, dass Krieg in Europa ein Phänomen aus der dunklen Vergangenheit des Kalten Krieges sei. Eine Auffassung, die sich aus heutiger Sicht als naiv und überholt herausstellt. Die Erfahrungen der letzten 18 Monate haben eine Lücke in der ethischen Debatte offenbart, die uns zwingt, neben einer Friedensethik auch einer Sicherheitsethik grösseres Gewicht zu geben.

Als katholischer Theologe kann ich zwar auf das päpstliche Schreiben Fratelli tutti vom Oktober 2020 hinweisen, das durchaus als Friedensenzyklika verstanden werden kann.

Das Schreiben enthält so überzeugende Sätze wie: «Mit Waffen kann man einen Krieg, aber niemals den Frieden gewinnen». Wie genau das ethische Prinzip eines ‹gerechten Friedens› aber in die Realität eines Krieges an der Ostgrenze Europas umgesetzt werden soll, ist nicht einfach zu bestimmen.

Dauerhafter Friede braucht Vergebung und Versöhnung mit der eigenen Geschichte. An den Erzählungen des russischen Präsidenten wird deutlich, dass eben diese Versöhnung mit der eigenen Geschichte fehlt, konkret mit dem Zerfall der UdSSR als Weltmacht in Zeiten des Kalten Krieges.

Putins Angriffskrieg auf die Ukraine wird oft mit Recht so interpretiert, dass das Gefühl der Kränkung durch die vermeintliche Zurücksetzung und Nichtanerkennung Russlands als Weltmacht die treibende Kraft der aktuellen Aggression war.

Ihre Überwindung wird nicht nur lange Zeit in Anspruch nehmen, sondern erfordert auch eine Versöhnung unterschiedlicher Werte, kultureller Mentalitäten und politischen Modelle innerhalb der Grenzen Europas.

Love Note Day 2023 - Ein Abendprogramm im Zeichen des Liebesbriefs

«Welttage für …» gibt es viele. Neben den Prominenten wie dem Internationalen Frauentag (8. März) oder dem Weltgesundheitstag (7. April) finden sich dabei auch eher unbekannte «Exoten». Zu letzteren gehört auch der internationale «Love Note Day», der jährlich am 26. September begangen wird. Er steht ganz im Zeichen jener mit Herzblut, Leidenschaft und den sprichwörtlichen «Schmetterlingen im Bauch» geschriebenen Briefe, in denen wie bei kaum einem anderen Schriftstück Emotionen auf das Papier gebannt werden.

Aus Anlass des Love Note Days 2023 veranstaltete die Theologische Hochschule Chur in Kooperation mit der Reformierten Kirche Chur, dem Projekt «paargeschichten.ch» sowie dem Bibelwerk Chur ein kulturelles Abendprogramm, das ganz im Zeichen des Liebesbriefs stand. In der Regulakriche in Chur wurden romantische, witzige, erotische, aber auch traurige Liebesbriefe aus unterschiedlichen Zeiten vorgelesen. Kurze Impulse beleuchteten das Phänomen «Liebesbrief» in seinen unterschiedlichen Facetten. In einer Schreibecke bot sich den Teilnehmenden an, selbst zu Papier und Stift zu greifen und sich selbst an einem Liebesbrief zu versuchen.

Prof. Dr. Markus Lau, Initiator der Veranstaltung, gab im Vorfeld des Anlasses im Radio Südostschweiz ein Interview zum Phänomen des Liebesbiefs. Der Beitrag kann hier nachgehört werden: suedostschweiz.ch/sendungen/spirit/mit-gruss-und-kuss

Pastoralinstitut: Netzwerktagung «Zwischen Kultur und Spiritualität – Religion als Phänomen im Tourismus»

Theologische Hochschule Chur bringt Kirchen und Tourismus an einen Tisch

50 Personen waren am vergangenen Mittwoch der Einladung des Pastoralinstituts der TH Chur in die Paulus Akademie nach Zürich gefolgt. Gemeinsam mit dem Verein Kirchen und Tourismus Schweiz wurde die Netzwerktagung «Zwischen Kultur und Spiritualität: Religion als Phänomen im Tourismus» veranstaltet.

Die Tagung, die im grossen Saal Korinth der Paulus Akademie begann, beeindruckte zunächst mit einem bunten und höchst vielfältigen Spektrum an Institutionen, Vereinen und Initiativen, die an der Schnittstelle von Kirchen und Tourismus aktiv sind: Der Walliser Tourismuspfarrer war ebenso nach Zürich gereist wie die kantonale Kulturbeauftragte aus dem Aargau. Die Wanderleiterin sass neben dem Künstler, der sakrale Lichtatmosphären herstellt, der Kirchenführer aus dem Engadin neben der Tourismusseelsorgerin aus Lausanne. Der Pilgerpater aus dem Kloster Einsiedeln traf auf die Museumsdirektorin von Müstair, der Pastoraltheologe aus Luzern diskutierte mit dem Graubündner Gemeindepräsident über die neue Autobahnkapelle in Andeer. Während der Beauftragte für Velowegkirchen aus dem Berner Jura sich über die Pilgerherberge St. Gallen informierte, tauschte sich der Kreuzfahrtseelsorger aus Zürich mit einem Reiseveranstalter über die Situation im Nahen Osten aus.

Nach dem Grusswort des Vereinspräsidenten Pfr. Michael Landwehr eröffnete von Seiten der TH Chur Prof. Christian Cebulj als Leiter des Forschungsprojekts «Religion-Kultur-Tourismus» die Tagung. Er betonte die gemeinsamen ideengeschichtlichen Wurzeln von Religion und Reisen. Schon in den ältesten antiken Reisegeschichten schrieben Menschen sich das Fernweh von der Seele. Heute seien Kathedralen, Klöster und Kirchen Hotspots des Kulturtourismus. Ebenso sei für die theologische Forschung bedeutsam, dass Spiritualität beim Pilgern und im Gesundheits- und Naturtourismus eine wichtige Rolle spiele. Mit drei Inputs wurde die breit gefächerte Tagungsthematik exemplarisch vertieft: Selma Mahlknecht, Schriftstellerin und Dramaturgin aus Zernez, erzählte von «Gipfelstürmern und Heimwehmenschen» und zitierte auf ebenso amüsante wie nachdenkliche Weise Passagen aus ihrem lesenswerten Buch «Berg and Breakfast» von 2021. Elke Larcher gab als Direktorin des Museumsbetriebs Stiftsbezirk St. Gallen interessante Einblicke in den Alltag dieser UNESCO Welterbestätte und zeigte die Chancen und Grenzen des Kulturtourismus auf. Schliesslich nahm der Theologe und Journalist Norbert Bischofberger das Publikum mit auf eine virtuelle Reise entlang seiner SRF-Doku ‹Spirituelle Wege in der Schweiz› von den Beatushöhlen über die Via Francigena zum Grossen St. Bernhard. Dabei legte er ein Plädoyer für das Gehen als Form der Förderung von Kreativität und Spiritualität ab.

Am Nachmittag boten verschiedene Workshops Einblicke in aktuelle Best-Practice-Projekte: Rolf Maegli (Luzern) vom Verein Sakrallandschaft Innerschweiz berichtete von neuen Formaten der Kulturvermittlung für ein jüngeres, kirchenfernes und urbanes Publikum. Unter dem Titel «Mit dem E-Bike zwischen Himmel und Erde» beschrieb Ralph Marthaler von der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn das Projekt Velowegkirchen entlang der Schweizer Herzroute. Aus der Westschweiz skizzierten Katia Cazzaro Thiévent (Lausanne) und Joëlle Walther (Genf) die Elemente ihrer Kirchenführerausbildung: «Visites d’églises: patrimoine cuturel, artistique ou cultuel?» und zeigten interessante Kooperationen zwischen kirchlichen und kantonalen Partnern zugunsten des Kulturtourismus wie des Spirituellen Tourismus auf. Pfarrer Jens Köhre (Flims) und der ehemalige Gemeindepräsident Hans Andrea Fontana (Andeer) stellten die Pläne für die neue Autobahnkapelle an der A 13 vor, die von den Basler Stararchitekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron gebaut werden soll. Eine Podiumsdiskussion rundete die Tagung ab, an deren Ende der Wunsch vieler Beteiligter stand, die Vernetzung zwischen Kirchen und Tourismus unbedingt bald auszubauen und zu vertiefen. Die Tagung, die vom Synodalrat der Katholischen  Kirche im Kanton Zürich unterstützt wurde, moderierten Prof. Dr. Christian Cebulj und Anna-Lena Jahn (BA Tourismus, MA Religion-Wirtschaft-Politik) vom Forschungsprojekt Religion-Kultur-Tourismus der TH Chur. Es war die einhellige Meinung der Beteiligten, dass ein solches Netzwerktreffen regelmässig wiederholt werden sollte.