Jahresbericht Studienjahr 2023/2024 – Forschung

Publikationen

(Die Publikationslisten, Forschungsprojekte und Mitgliedschaften der Professoren und Professorinnen finden sie in den Profilen weiter unten.)

Transformatio; die Ausgaben 2023 - Heft 2 und 2024 - Heft 1

transformatio; Weihnachten – Grenzen überschreiten (Nr. 2, 2023)

Das Weihnachtsfest hat sein christliches Festgewand abgelegt. So will es scheinen: «säkular» überlagert von vielen Erwartungen, Interessen, Erfahrungen, pendelnd zwischen Konsum und Kitsch, gefühlig-nostalgisch bestäubt von Resten einer großen christlichen Tradition.

Auch dort, wo die Kulturkritik tiefer geht, vielleicht die bedenkliche Kommerzialisierung beklagt oder die unverbindlich zu einem wiederkehrenden Datum aufgesetzt wirkende Gefühlsbetonung ins Visier nimmt, ist Zurückhaltung angebracht. Weihnachten war nie nur «christlich» oder gar «kirchlich» besetzt. Weihnachten war immer das Fest der Grenzüberschreitung: familiär, in kleinen sozialen Räumen, aber auch gesamtgesellschaftlich. Kein anderes Fest hat ein solches Inte-grationspotential.

Bereits der Blick auf die biblischen Quellen des Weihnachtsfestes führt über einen «christlichen» Horizont hinaus; es geht um die Welt. Weihnachten fasziniert auch heute interreligiös und nachreligiös, weil es persönliche und gesellschaftliche Bedürfnisse anspricht: Angenommensein, Teilhabe, Aufmerksamkeit, Solidarität. Alle Beiträge dieses Heftes – die wissenschaftlichen Aufsätze, die Auslegungen zu den Kindheitsgeschichten der Evangelien, die Schlaglichter auf die Rezeption – arbeiten diese ursprüngliche Weite der Weihnacht heraus.

Weihnachten war immer ein Trans-Fest, eine Feier der Grenzüberschreitung. Seine theologische Kernbotschaft heißt: Gott überwindet von sich aus die härteste Grenze, die Differenz von Gott und Welt/Mensch: Sie wird nicht aufgehoben, aber sie gerät in Bewegung, muss neu, inkludierend gedacht werden. Was bedeutet das für andere scheinbar unverrückbare Grenzen?
Feiern ist eine, nein: die wichtigste Weise, Grenzüberschreitungen zu inszenieren, zu erleben, auszuloten – und die Welt zu verändern. Gott hat es anders angefangen – unter uns.

https://transformatio-journal.org

 

transformatio; Mobilität – Welt in Bewegung (Nr. 1, 2024)

Die Welt erschließt sich durch Mobilität, wenn «Wir» am neuen Ort zu «Anderen» werden, wenn Aufbruch oder Verschleppung das Leben neu ausrichten. Dieses Frühjahrsheft der transformatio; fragt nach theologischen Aspekten und kulturellen Potentialen räumlicher Transformation: Bibeltexte wissen vom Ruf ins Weite, vom Exil, von einem wandernden Gottesbild. Glaube setzt Menschen in Bewegung, die pilgern oder Prozessionen gestalten. Migrationsbewegungen verändern religiöse Perspektiven und Praktiken. Mobilität konstruiert Heimat und Fremde. Mobilität zwingt zur Reflexion auf den eigenen Stand-Ort im Weltenlauf.

https://transformatio-journal.org

 

Eva-Maria Faber: Entschlossen vorangehen! Ignatianische Spiritualität als Stachel für die ökumenische Praxis, Aschendorff 2024.

Beschreibung

Die Ökumene scheint ins Stocken geraten zu sein. Einsichten über Gemeinsamkeiten zwischen den Kirchen, ökumenische Dialoge und Annäherungen bleiben praktisch folgenlos. Innovative Durchbrüche fehlen. In dieser blockierten Situation ist es dringend geboten, die ökumenische Vorgehensweise zu überdenken. Appelle an die geistliche Ökumene bedürfen einer Konkretisierung, um nicht in fragwürdiger Weise vertröstend zu wirken. Vielmehr gilt es, die Bereitschaft zur Verantwortlichkeit zu stärken.
Darum ist es lohnend, das Potenzial der ignatianischen Spiritualität für das ökumenische Engagement zu erschließen. Ihre zielorientierte Entschlossenheit, die nach innovativen Mitteln Ausschau hält, fordert zur Verbindlichkeit in den Annäherungen und Beziehungen zwischen den Kirchen. Die in den Geistlichen Übungen aufgespürten Handlungsprinzipien wie die Unterscheidung von Ziel und Mitteln, die Übungen für die Neuordnung des Lebens und andere Elemente der ignatianischen Spiritualität werden zu Inspirationen für das ökumenische Handeln.

Autorin

Eva-Maria Faber

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Besprechung auf Feinschwarz.net

Franziskus Knoll (Mitherausgeber): Seelsorge und Diakonie. Ethische und praktisch-theologische Perspektiven, Praktische Theologie heute, Kohlhammer 2023.

Beschreibung

Seelsorge und Diakonie zählen zu den gesellschaftlich anerkanntesten kirchlichen Handlungsfeldern und rücken deshalb zunehmend in den Fokus. In welchem Verhältnis stehen Seelsorge und Diakonie jedoch zueinander, und welche Relevanz haben sie für die Zukunft der Kirchen effektiv? Sind sie Ausdruck des Evangeliums oder allgemeinen Hilfshandelns, das auf der Ebene des Handelns nicht von anderen sozialen Aktivitäten zu unterscheiden ist? Vor dem Hintergrund vielfältiger Zeitenwechsel fragen seelsorgliche, diakonische, sozialpsychologische und ethische Analysen danach, was kirchliches Handeln in der heutigen Lebenswelt ausmachen müsste.

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Herausgebende
Prof. Dr. theol. Isabelle Noth, Prof. für Seelsorge, Religionspsychologie und Religionspädagogik an der Universität Bern.
Prof. Dr. theol. Franziskus Knoll OP, Prof. für Pastoraltheologie und Homiletik an der Theologischen Hochschule Chur.
Dr. Mathias Mütel, Bildungsverantwortlicher des Bistums Basel.
Prof. Dr. Mathias Wirth, Prof. für Systematische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Bern.

Martina Roesner; Kathi Beier: Über die Tugend. Thomas von Aquin / Meister Eckhart, Karl Alber 2023.

Beschreibung

So prominent die Tugendlehren Thomas von Aquins und Meister Eckharts zu ihrer Zeit waren, so wenig werden sie heute berücksichtigt. Das ist bedauerlich, denn die Überlegungen der beiden sind für aktuelle tugendethische Debatten äußerst aufschlussreich. Der Band, der aus einem Workshop an der Universität Freiburg i. Br. im Jahr 2022 hervorgegangen ist und von Martina Roesner mit herausgegeben wurde, präsentiert zentrale tugendethische Passagen aus den Werken von Thomas und Eckhart jeweils in Originalsprache und neuer bzw. neu überarbeiteter deutscher Übersetzung. Zudem werden die zwei recht unterschiedlichen Ansätze in sieben interpretierenden Essays von einschlägigen Fachleuten diskutiert, miteinander verglichen und in den aktuellen akademischen Diskurs eingeordnet.

Herausgeberin

Prof. Dr. Martina Roesner

Link

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Roberto Vinco; Martina Roesner: Meister Eckhart und die Phänomenologie (Meister-Eckhart-Jahrbuch 17), Stuttgart, Kohlhammer, 2023.

Beschreibung

Das Meister-Eckhart-Jahrbuch ist das Publikationsorgan der Meister-Eckhart-Gesellschaft und nimmt wissenschaftliche Beiträge der gesamten Eckhartforschung auf. Sie konzentrieren sich auf Untersuchungen zu Eckharts Leben (ca. 1260-1328) und Wirken in seiner Zeit, zu Eckharts Schriften, seiner Lehre, seiner weitreichenden Wirkung seit dem Mittelalter, zur Aktualität seines Denkens und zum Neuverständnis der geistlichen Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit insgesamt. Die im Jahrbuch publizierten Beiträge kommen hauptsächlich aus den Disziplinen der Philosophie, Theologie, Germanistik und Geschichte; das Jahrbuch ist jedoch auch offen für wissenschaftliche Beiträge anderer Fachrichtungen. Literarische Präsentationsformen sind Untersuchung, Edition, Dokumentation, Miszelle und Forschungsbericht (Sammelrezension). Umfangreichere Arbeiten, unter ihnen auch Textausgaben, werden der Forschung durch «Beihefte zum Meister-Eckhart-Jahrbuch» zugänglich gemacht.
Das «Meister-Eckhart-Jahrbuch» (MEJb) und seine Beihefte sind refereed. Zur Publikation eingereichte Beiträge und Untersuchungen unterliegen einem anonymisierten Begutachtungsverfahren (peer review), das über eine Aufnahme in die Zeitschrift bzw. in die Reihe entscheidet.

Herausgeberin

PD Dr. Roberto Vinco
Prof. Dr. Martina Roesner

Links

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Publikationslisten/ Forschungsprojekte/ Mitgliedschaften

Prof. em. Dr. Manfred Belok

  • Nur eine Krise oder eine Zeitenwende? Für eine Neuausrichtung der kirchlichen Strukturen und des kanonischen Rechts. In: Theologie der Gegenwart 66 (2023), 214-223.
  • Rezension zu Loretan, Adrian (Hg.): Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt in der Kirche. Beiträge aus Rechtswissenschaften und Theologie. Münster 2023. In: Stimmen der Zeit 148 (2023), 634-635. [ISSN 0039-1492]
  • Die Synode 72 in der Schweiz – Inspiration für eine Synode heute?, in: Loiero, Salvatore/Amherdt, Francois/Delgado, Mariano (Hg.): Synode 72 – im Heute gelesen (Praktische Theologie im Dialog), Basel: Schwabe 2023, S. 639-668.

Prof. em. Dr. Michael Durst

  • Prophetie und Parusie im frühen Montanismus, in: Raban VON HAEHLING / Meinolf VIELBERG (Hrsg.), Prophetie und Parusie in der griechisch-römischen Antike (= Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums 29) (Paderborn 2023) 443–476.

Prof. Dr. Simon Peng-Keller

  • Vom Wunder heilsamer Gegenwart. Biblisches Erzählen vom Neuwerden. Würzburg: Echter 2023.
  • Zur Bedeutung der Spiritualität in Therapieentscheidung und Begleitung, in: Christof Mandry, Gwendolin Wanderer (Hg.), Narrative Ethik in der Klinikseelsorge. Ethische und theologische Analysen und Diskussionen von Fallerzählungen, Stuttgart 2023, 93-96.
  • Arte contemplativa. Die Ikonographie Josua Boeschs (1922-2012), in: Geist und Leben 95 (2023), 16-21.
  • Mit Haußmann, Annette, David Neuhold, Fabien Winiger, Digitalisierte Spiritual Care und Seelsorge, in: Spiritual Care 12 (2023), 87-88.
  • Mit Karin Hasenfratz, Michael Rufer, Leitfaden zur Integration spiritueller Aspekte in die multimodale Schmerztherapie, in: Primary and Hospital Care 23:7 (2023), 201-203.
  • Überhelle Präsenz. Zur Anleitung christlicher Kontemplation, in: Rundbrief der Gesellschaft der Freunde christlicher Mystik 2 (2023), 29-32.
  • Mit Fabian Winiger, „In meiner innersten Kammer begegnet mir Gott jeden Tag.“ Ein Gespräch mit Hans van der Geest, in: Spiritual Care 12 (2023), 276-278.
  • Kann Seelsorge ohne religiösen Hintergrund auskommen? In: Aufbruch Nr. 265 (2023), 16.
  • Spiritual Care für hochbetagte Menschen, in: Katharina Heimerl, Sabine Millius, Total pain in der Palliativen Geriatrie. Vom Umgang mit dem existenziellen Schmerz im hohen Alter, Bern 2024, 163-170.
  • Mit Jörg Schneider, Fabian Winiger, David Neuhold, Empirische Grundlagen zur Weiterentwicklung klinischer Seelsorge. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in der Schweiz, in: Spiritual Care 13 (2024), 2-13 (open access: https://doi.org/10.1515/spircare-2023-0068).
  • Mit Riguzzi*, Marco, Quendresa Thaqi*, Anja Lorch, David Blum, Rahel Naef, Adoption of evidence-based end-of-life and bereavement support practices in cancer care: A contextual analysis study with health professionals [BEST Care Study], in: Journal of Clinical Nursing (2024) https://doi.org/https://doi.org/10.1111/jocn.17033, *ex aequo.
  • Mit Marco Riguzzi, Qëndresa Thaqi, Anja Lorch, David Blum, Rahel Naef (2024). Contextual determinants of guideline-based family support during end-of-life cancer care and subsequent bereavement care: A cross-sectional survey of registered nurses. European Journal of Oncology Nursing, 70:102555. https://doi.org/10.1016/j.ejon.2024.102555
  • Mit Fabian Winiger, Digitale Spiritual Care. Ergebnisse eine Umfrage unter klinischen Seelsorgenden in der Schweiz, in: Praktische Theologie 59 (2024), 31-37.
  • Mit Fasten als Pilgerweg – ein Erfahrungsbericht, in: Ralph Kunz, Fasten. Glauben geht durch den Magen, Leipzig 2024, 147-164.
  • Mit Nonduales Bewusstsein? Zur aktuellen Diskussion um kontemplative Exerzitien, in: Geist und Leben 511 (2024), 174-183.
  • Mit Interprofessionalität in der Spiritual Care. Thesen und Schlaglichter, in: Markus Schmidt (Hg.), Interprofessionalität in Diakonie und Kirche. Zugänge zu neuen Formen professionellen Handelns, Bielefeld 2024, 50-51.
  • Vieldimensionales Heilen und die Kraft des Geistes. Spiritualität in einem säkular geprägten Gesundheitswesen, in: Alexander Deeg, Christian Lehnert (Hrsg.), Erfahrenes Heil. Gottesdienst und Heilung, Leipzig 2024, 133-146.

Dr. Mario Pinggera

  • «Die Metzler-Chororgel aus Thalwil am neuen Ort in Prad» In: Ars Organi. Internationale Zeitschrift für das Orgelwesen. 72. Jahrgang, Heft 2 Juni 2024. 104f.

Forschungsbericht der Forschungsdekane

Die Theologische Hochschule Chur dokumentiert ihre Forschung anhand eines jährlich erstellten Forschungsberichtes.

Forschungsbericht der Theologischen Hochschule Chur (Studienjahr 2023/2024)

Publikationsreihen der TH Chur

Schriftenreihe der Theologischen Hochschule Chur

Sie wurde 2002 eröffnet und versteht sich als wissenschaftliches Publikationsorgan der TH Chur. Sie erscheint im Schwabe Verlag. Prof. Dr. Michael Fieger und Prof. Dr. Martina Roesner zeichnen im Auftrag der TH Chur als Herausgeber. Die Reihe steht für wissenschaftliche Publikationen offen, die mit der TH Chur in einem erkennbaren Zusammenhang stehen.

https://schwabe.ch/produkttypen/reihen/schriftenreihe-der-theologischen-hochschule-chur/

 

Forum Pastoral

Die Publikationsreihe des Pastoralinstituts der TH Chur, initiiert 2003, erscheint bei der Edition NZN im Theologischen Verlag Zürich (TVZ). Sie wird von der Leitung des Pastoralinstituts herausgegeben und ist für Beiträge und Studien offen, die in Verbindung mit dem Pastoralinstitut der TH Chur stehen und die Schnittstelle von Theologie und pastoraler Praxis beleuchten.

https://www.tvz-verlag.ch/reihe/forum-pastoral/

 

Theologische Berichte

Diese Publikationsreihe, die seit 1972 erscheint, wird von der Theologischen Fakultät der Universität Luzern und der TH Chur gemeinsam herausgegeben. Als Herausgeber fungieren Prof. Dr. Wasmaier-Sailer als Vertreterin der Theologischen Fakultät der Universität Luzern und Prof. Dr. Christian Cebulj als Vertreter der TH Chur. Die Reihe erscheint im Herder Verlag.

https://www.herder.de/theologie-pastoral/shop/k2/reihen/theologische-berichte/

Abgeschlossene Dissertationsprojekte

Isabelle Molz: Inklusive Liturgie. Liturgie feiern mit Menschen mit Behinderung.

Dass Liturgie in ihrem Wesen inklusiv ist, dies in der konkreten Feier jedoch oftmals nicht erleb- und erfahrbar ist und Liturgie sich damit immer weiter von der Lebenswirklichkeit der Mitfeiernden entfernt resp. diese gar nicht berücksichtigt wird, ist eine Erfahrung, die viele Menschen vermutlich bestätigen werden. Damit wird Liturgie dem Anspruch, dass alle Gläubigen „(…) zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk, ‚das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, der heilige Stamm, das Eigentumsvolk‘ (1 Petr 2,9; vgl. 2,4-5) kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist“ (SC 14). Bei meinen Forschungen habe ich einen Fokus auf Menschen mit geistiger Behinderung gelegt und die Frage nach inklusiver Liturgie auf diesem Hintergrund betrachtet. Dabei hat sich recht schnell gezeigt, dass die liturgische Sprache ein wichtiger Schlüssel zu einer verständlichen und lebensnahen Liturgie ist. Leichte Sprache kann dazu beitragen, dass sich Liturgie mehr Menschen erschließt und sich so auch stückweise aus sich selbst heraus erklärt. Es darf jedoch nicht dabei stehen bleiben, denn Inklusion ist vor allem eine Haltungsfrage und ohne eine inklusive Pastoral wird auch keine inklusive Liturgie möglich sein. Die Auseinandersetzung mit der Thematik hat gezeigt, dass an unterschiedlichen Stellen Veränderung notwendig ist und dass sich auch Liturgie verändern darf und auch muss, wenn sie nicht (noch mehr) Relevanzverlust erleiden möchte. Neben der Übersetzung liturgischer Texte in Leichte Sprache, bedarf es auch eines Konzepts zur liturgischen Bildung, von dem nicht nur Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung profitieren. Hierfür sind unterschiedliche Modelle von der Katechese bis zur mystagogischen Vertiefung geeignet. Neben der Feststellung, dass es auf die Haltung ankommt, steht die Erkenntnis, dass Liturgie und vor allem liturgische Texte vielfältiger werden müssen, da hier eine große Chance liegt Menschen in ihrer je eigenen Lebenswirklichkeit anzusprechen.

Eric Petrini: Dimensionen der Sprachbildung und ihre Bedeutung für den religionspädagogischen Bildungsprozess

Warum ist ein Tisch ein Tisch und nicht vielmehr ein Stuhl? Diese Frage ist spontan nur schwer exakt zu beantworten. Nur wenn man sich von der äusseren Erscheinung löst und den Gegenstand in der Anwendung betrachtet, lässt sich die Frage beantworten. Wenn es nun schon bei Gegenständen nicht einfach ist, sich auf eine eindeutige Beschreibung zu einigen, wie komplex wird dann die Verbindung von Bedeutung und Bezeichnung, wenn es gilt, Gedanken und Empfindungen auszudrücken.

Warum ein Tisch ein Tisch ist und nicht vielmehr ein Stuhl, lässt sich irgendwann aufgrund von erfahrungsbasierten Konventionen lösen. Die Frage: «Was macht Dir Angst?» oder «Woran glaubst Du?» oder «Wer ist eigentlich Gott?» bringt den nach Antwort suchenden Menschen an sprachlichen Grenzen, die sich als das Suchen nach den richtigen Worten bzw. dem Suchen nach Sprache darstellt.

Das Forschungsprojekt «das Suchen nach Sprachen» möchte aufzeigen, dass das Suchen nach Sprache ein Lernprozess ist. ‘Die’ Suche nach Sprache impliziert ein finales ‘auffinden können’, als ob durch immer enger zu ziehende Kreise eine eindeutige Sprache für Religion und Religiöses gefunden werden kann. Das Forschungsprojekt versteht hingegen die religiöse Sprachwerdung als Verknüpfung von Religion und Sprache in einem lebenslangen Prozess – einem sprachlich begleiteten und immer weiter sich entfaltendem Suchen nach den richtigen Worten, um eine Erfahrung mit dem Göttlichen auszudrücken. Hierbei wird weit mehr als nur der verbale Ausdruck in den Blick genommen – alles kann zur Sprache werden. Selbst das Schweigen wird zur religiösen Sprache, wenn damit eine innere Bedeutung, eine Regung, ein Gedanke und letztlich eine Gotteserfahrung oder eine Haltung Gott gegenüber ausgedrückt wird.

Das Forschungsprojekt versucht, die Vielschichtigkeit von Sprache und sprachlichem Ausdruck exemplarisch zu beleuchten. So werden beispielsweise neben grundsätzlichen Gedanken zur Sprache eine sensomotorische Dimension beleuchtet, die zeigt, dass Sprache mehr ist als das gesprochene bzw. gehörte Wort. Vor allem der Aspekt, mit allen Sinnen angesprochen werden zu müssen, kann für die Entwicklung der religiösen Sprache eine Bereicherung sein.

Der Blick in die Entwicklungspsychologie zeigt auf, wie der Mensch zur Sprache kommt und lässt ahnen, dass auch die Aneignung einer religiösen Sprache ähnliche Prozesse durchläuft wie der Erwerb jeder anderen Sprache.

Aus der Sprachphilosophie kann die Überlegung übernommen werden, dass Aneignung und Verwendung von Sprache einem Sprachspiel gleichen. Sprache kann nur angeeignet werden, indem sie angewendet wird. Die Bedeutung erweist sich durch die Anwendung. Und umgekehrt schärft die Anwendung die Bedeutung.

Mit Blick auf die Religion und ihre Sprachen bzw. auf das religiöse Sprechen übertragen bedeutet die Theorie des Sprachspiels, dass Menschen auf ihrem religiösen Weg die Sprache der Religion und das religiöse Sprechen vor allem in der Anwendung erlernen. Ein reines Übernehmen religiöser (Sprach-) Muster, ohne den Mustern Inhalt und Bedeutung beizumessen und ‘Wort’ und Bedeutung als Einheit zu sehen, führt zu einer Aushöhlung der religiösen Sprache. Die Menschen verlieren damit die Fähigkeit, mit und über Gott zu kommunizieren und individuelle Glaubenserfahrungen auszudrücken.

Die Aufgabe der Religionspädagogik muss demnach lauten, Religion und Sprache als Einheit zu sehen. Es gilt in einem mehrfachen Wechselspiel, den nach Sprache suchenden Menschen sowohl die Sprache der Religion zu vermitteln als auch das Anwenden religiöser Sprache zu ermöglichen. Neben dem hermeneutischen, Auskunft gebendem Weg ist vor allem der kommunikative Weg entscheidend, der aus der subjektiven Perspektive heraus das Innen nach Aussen wendet und Glaubensinhalte lebensweltlich verankert.

Ausgehend von diesen Grundannahmen gewinmt ein doppelter Perspektivenwechsel an Bedeutung: die Lernenden werden über die subjektive Wahrnehmung zur objektiven Beschreibung geleitet, um das objektive Wissen in eine subjektive Auseinandersetzung zu wandeln und damit mit einem lebensrelevanten Bezug zu verknüpfen.

Als didaktisches Modell wurde für diesen doppelten Perspektivenwechsel die Didaktik der Sprachsensibilität auf die Religionsdidaktik übertragen. Sprachsensibilität ist im eigentlichen Sinn keine Methode, sondern eine Grundhaltung, die oft mit dem Gestalten eines Sprachbads verglichen wird. Fachliches und sprachliches Lernen werden als untrennbare Einheit gesehen. Es werden Methoden der Sprachdidaktik für religiöse Lernprozesse verwendet – und damit ein Einüben des Sprechens didaktisch gestaltet.

In einer empirischen Untersuchung wurde der doppelte Perspektivenwechsel unter Einhaltung der Grundhaltungen der Sprachsensibilität initiiert. Die Schüler:innen gingen in einer mehrstündige Lektionsreihe erst einen Weg des performativen Zugangs zum Lerninhalt, erarbeiteten sich hermeneutischen Grundlagen und gaben diskursiv über den Inhalt Auskunft. Ein erneutes Aufgreifen der Thematik in einer kommunikativ angelegten Aufgabenstellung erwies, dass die Lernenden das erworbene Wissen mit lebensweltlichen und teilweise biografischen Elementen verknüpften. Im Fallbeispiel bewirkt die gezielte Initiierung des doppelten Perspektivenwechsels, dass Lerninhalte biographisch verankert werden und damit im lebensweltlichen Bezug abrufbar sind.

Das Ziel dieser Verknüpfung ist, die Schüler:innen zum Austausch anzuleiten, um über die lebensweltlichen Bezüge wie auch über unterschiedliche Weltanschauungen und religiöse Haltungen zu kommunizieren. Somit können Verständnis und Toleranz für die Vielfalt religiöser Anschauungen und Ausdrucksweisen gefördert werden. Gleichzeitig lernen die Schüler:innen in der Anwendung der religiösen Sprache sich religiös zu äussern bzw. das religiöse Sprechen einzuüben und damit den religiösen Sprachmustern eine individuell erschlossene Bedeutung beizumessen.

Das Forschungsprojekt Religion und Sprache unterstreicht die Bedeutung, religiöses und sprachliches Lernen als Einheit zu sehen und möchte anregen, nicht nur Sprachmuster zu vermitteln, sondern das Sprechen in den Sprachmustern zu fördern. Denn nur durch die Anwendung der religiösen Sprache im religiösen Sprechen können Erfahrungen entstehen und Bedeutungen wachsen. Eine Sprache ohne Bedeutung ist letztlich nur das Verschieben von Sprachhülsen. Es muss Aufgabe der religiösen Bildung sein, sprachliches und religiöses Lernen als Einheit zu verstehen und die zum Teil leere Sprache der Religion wieder mit religiösen Inhalten zu füllen.